03. Februar 1914
Arbeitswohnhäuser zu bauen, das vielerörterte und vielversuchte Problem der Gegenwart, hat man auch schon früher unternommen. Nicht allein, weil es an Wohnungen mangelte, sondern vor allem auch, um Räume zu schaffen, die so gestaltet waren, daß man das Gewerbe ohne Schwierigkeiten darin ausüben konnte. Eins davon steht noch heute. Es ist das Hinterhaus des Fleischermeister Lässigschen Besitzes in der Dresdnerstraße 19. Es zeichnet sich aus durch gerade Treppen, die das Stockwerk ohne Brechung und Absätze nehmen und sich so für den Transport von schweren und großen Maschinen eignen, und durch außerordentliche Höhe der Räume. Jedes der Stockwerke hat noch heute einen Ausgußstein, der von der Gossenanlage – für die damalige Zeit eine seltene Anlage-, herrührt. Das Haus wurde von der Firma Landgraff in der Mitte des 19. Jahrhunderts errichtet. Ein ähnliches Arbeiterhaus, von der Deckenfirma Beck errichtet und mit lauter „Deckenmachern“ belegt, wurde anfang der sechziger Jahre beim sogenannten Meisterhausbrand ein Raub der Flammen. Man sieht, es ist manches schon dagewesen, von dem die heutige Generation meint, dass sie es erfunden habe. Freilich waren die Beweggründe wesentlich andere. Wenn man sich heute den ideellsten Begriff eines Arbeiterhauses vor Augen hält, dann muß es wohl das Einfamilienhaus sein, das dem Tag über in die Werkstatt gefesselten und besitzlosen Arbeiter ein gemütliches Heim und einen eigenen kleinen Besitz sichert. Gleichwohl gingen bzw. gehen beide Richtungen darauf hinaus, dem Arbeiter zu helfen, und es ist erfreulich, daß es hiesige Handelsherren waren, die einst schon einen schönen Gedanken in die Tat umzusetzen versuchen.
05. Februar 1914
Gestern mittag ist, wie wir hören, der nominelle Besitzer des Mineralbades, des „Wintergartens“ in Schönau, des „Weissen Schlosses“ – in Blasweitz und wohl noch mehrerer anderer Objekte, der weitbekannte Herr Christian Friedrich Lorenz in einem Hotel in Chemnitz verhaftet worden. Mit ihm bez. Vor ihm sind auch mehrere seiner früheren Angestellten verhaftet, die sich jetzt in verschiedenen Orten aufhalten, sowie Verwandte, die an den Lorenz zur Last gelegenen Vergehen mitschuldig sein sollen, verhaftet worden. Zugleich fand gestern im Mineralbad eine Haussuchung statt, bei der zahlreiche Bücher und Papiere beschlagnahmt wurden. Die Vergehen die Lorenz zur Last gelegt werden, bewegen sich auf den Gebieten langjähriger verfehlter finanzieller Spekulationen, die schließlich zum Zusammenbruch führten. Die letzten Jahre hielt sich Lorenz bekanntlich in Böhmisch-Einsiedel auf, wo er sich von einem sächsischen Gläubigern sicher glaubte, bis er vor einiger Zeit auch dort domizillos wurde und wieder nach Sachsen zurückkehrte. Nunmehr hat ihn in Chemnitz sein Schicksal ereilt.
Die goldene Hochzeit feierte gestern das Fritz Heinrichsche Ehepaar, Wiesenstraße 4 wohnhaft, im Kreise seiner Angehörigen. Das Jubelpaar wurde durch mancherlei Aufmerksamkeiten erfreut. Möge den alten Leuten noch ein recht ruhiger, zufriedner Lebensabend beschieden sein.
07. Februar 1914
Der hiesige Naturheilverein will im laufenden Jahre eine Erweiterung seiner Anlagen vornehmen. Geplant ist der Bau eines Zweifamilienhauses. Dasselbe soll u.a. eine Wohnung enthalten für den Verwalter der Unterkunftshalle. Das von der Stadt zur Verfügung gestellte Grundstück ist bereits eingezäunt worden und sollen die gärtnerischen Anlagen nach dem Entwurf des Stadtgärtners Herrn Kaiser-Glauchau ausgeführt werden. Auf dem neuen Grundstück soll eine neue moderne Anlage für Licht-, Luft- und Sonnenbäder angelegt werden.
12. Februar 1914
Prinz Karneval hatte gestern abend in der „Hüttenmühle“ eine große Anzahl seiner Getreuen um sich geschart. Es mochten wohl an die 40 Masken gewesen sein, die selbstverständlich im Zusammenwirken mit den sehr zahlreich anwesenden Zuschauern ein reges Leben entwickelten. Bei der großen Anzahl schöner Masken fiel es den Preisrichtern schwer, die richtige Wahl zu treffen. Es erhielten Preise, von den Herren der „Vogelhändler“, die „Plakatsäule“, der „Lump“; von den Damen wurden bedacht „Königin der Nacht“, der“ Weihnachtsbaum“ und die „Wasserrose“.
17. Februar 1914
Wie eng verknüpft mit allen gesellschaftlichen Kreisen unserer Stadt der am Freitag am Gehirnschlag verschiedene Stadtmusikdirektor Eduard Naumann war, zeigte sich heute nachmittag vor aller Oeffentlichkeit, als man ihn zu Grabe trug. Bereits gestern erwiesen ihm eine große Anzahl unserer Sänger, denen er stets ein lieber Freund, Berater und Helfer war, die letzte sangesbrüderliche Liebe, indem sie vor dem Hause Trauerständchen sangen. Und heute in den ersten Nachmittagsstunden trug man ihn hinaus, der mit allen Fasern seiner Lebens der Musik ergeben war, betrauert und geleitet von einer außerordentlich großen Zahl treuer Freunde, denen er im Leben nahegestanden. Die Stadtkapelle geleitete ihn mit dem Chopinischen Trauermarsch zur letzten Ruhestätte. Eine große Anzahl von Vereinen mit Fahnen folgte seinem Sarge, der über und über mit prachtvollen Blumenspenden geschmückt war.
20. Februar 1914
Vor kurzem hatte ein Rechtsanwaltsschreiber auf hiesigem Bahnhofe seine Taschenuhr mit Kette verloren. Es war beobachtet worden, daß jemand sie aufhob, sie ward aber nicht auf dem Fundamt abgeliefert, der unehrliche Finder hatte sie vielmehr versetzt. Er ward von der Polizei ermittelt, die dem Verlustträger die Uhr wieder zurückgeben konnte. Es wird nunmehr Bestrafung wegen Fundunterschlagung erfolgen.
25. Februar 1914
Höchst raffiniert zeigten sich dieser Tage zwei größere Schulmädchen. Eine am Altmarkt wohnende Arbeitersehefrau hatte ihr 4 Jahre altes Töchterchen in ein Buttergeschäft geschickt und ihr eine Mark in einem Geldsäckchen mitgegeben. Das Kind versorgte den Einkauf und bekam auf die Mark einige Pfennige heraus, die es dann ins mitgeführte Handkörbchen legte. Nun kamen die beiden Mädchen hinzu, nahmen dem Kind das Portemonnaie aus dem Korbe, entleerten es und legten es wieder in den Korb zurück, worauf sie verschwanden. Hoffentlich gelingt es die beiden Mädchen zu ermitteln.
28. Februar 1914
Zweimal vom Brande heimgesucht wurde gestern abend ein dem Abbruch verfallenes Gebäude, das dem Eisenbahnarbeiter Herrn Opelt gehörige Badergut in der Nähe des Neustädter Schützenhauses, das man wohl als eins der ältesten Gebäude Alt-Ernstthals ansprechen kann. Bereits ½ 8 Uhr waren, nach erfolgtem kleineren Alarm, einige Wehrmänner tätig, um einen kleinen Brand in diesem Gebäude, das unbewohnt ist, zu dämpfen, der auch völlig abgelöscht wurde und keinesfalls die Ursache des erneuten Brands sein kann der kurz nach 10 Uhr entstand, und zwar an der Treppe. Als diesmal die 2. Kompagnie der Feuerwehr eintraf, war es ihr nicht möglich, über die Treppe ins innere des Hauses zu gelangen, da diese bereits von den Flammen ergriffen war. Die Wehr musste von der Rückseite des Gebäudes eingreifen und konnte auch den Brand auf seinen Herd beschränken. Der Abbruch des Badergutes war in Angriff genommen, befand sich aber noch im Anfangsstadium, und nun haben die Flammen in dieser Hinsicht tüchtig vorgearbeitet, denn mehrere Mauern gingen in Trümmer. Nach 1 Uhr morgens konnte die 2. Kompagnie der Freiwilligen Feuerwehr wieder abrücken, ohne daß es nötig war, eine Brandwache zurückzulassen.