02. August 1913
Der Hüttengrund gewinnt von Jahr zu Jahr mehr Bedeutung bei den Sommerfrischlern, was seinen Grund hat in der herrlichen waldreichen Lage. Seit Wochen sind im Hüttengrund fast sämtliche Sommerlogis vom auswärtigen Sommerfrischlern und Ferienkolonisten besetzt und für die nächste Zeit liegen noch zahlreiche Anmeldungen vor. Gerade die jetzigen großen Ferien brachten wieder einen starken Fremdenzug, namentlich aus den Großstädten Leipzig, Chemnitz, Dresden und sogar Berlin nach unseren prächtig gelegenen Hüttengrund. Unsere Gegend durfte übrigens schon seit einigen Jahren eine der bestbesuchten des niederen Erzgebirges mit sein.
Die altrenommierte Butterhandlung von Wilhelm Lässig am Neumarkt kann heute auf ein 40jähriges Bestehen zurückblicken. Die Stadtkapelle überraschte heute früh den Firmeninhaber und seine Gattin mit einem Ständchen. Auch sonst wurden Herrn Lässig noch Aufmerksamkeiten zuteil.
13. August 1913
Der gestrige Montag war für den Ortsteil Hüttengrund ein bedeutungsvoller Tag, brannte doch zum erstenmal gestern abend das Gas in den Straßenlaternen. Ueber die neue Beleuchtung ist natürlich die Einwohnerschaft im Hüttengrund sehr erfreut und ist damit einem dringenden Bedürfnis Genüge getan. In den nächsten Tagen werden nun die Hausanschlüsse vollends fertiggestellt, so daß man glaubt, in spätestens 14 Tagen das Gas auch in den Häusern zu Leucht- und Kochzwecken benutzen können.
14. August 1913
Kehraus auf dem Berge. Noch einmal zogen Scharen hinauf auf unsere Höhe, um die Annehmlichkeiten des Festes auf sich wirken zu lassen, noch einmal saß in den Zelten und Buden dichtgedrängt Männlein und Weiblein, um sich an Gerstensaft, Wein und Kaffee zu laben, noch einmal hatten die Losverkäufer regen Absatz, noch einmal fand Meister Grabner für seine fleischigen Leckerbissen eine dankbare Gemeinde. Mehr als 5000 Personen waren es, die gestern Eintrittskarten lösten, da ja das Wetter sich gebessert hatte und ein warmer Sommerabend ins Freie lockte. Und so dauerte auch der Abschied länger als am Sonntage; es wollte so eigentlich niemand nach Hause gehen und es war längst Mitternacht vorüber, als sich die Reihen lichteten und man allmählich der Stadt zustrebte. In der dritten Morgenstunde aber erloschen die letzteren Lichter und das Bergfest war für dieses Jahr vorüber!
19. August 1913
Der Buchhalter H. einer hiesigen großen Firma hat seit mehreren Jahren fortgesetzt Unterschlagungen verübt, die er so geschickt zu verschleiern wußte, daß sie jetzt erst entdeckt wurden. H., der zum zweitenmal verheiratet und Vater eines Kindes ist, ist seit gestern flüchtig und wird steckbrieflich verfolgt. H. gab in letzter Zeit ziemlich viel Geld aus und dürfte die unterschlagene Summe wohl zum größten Teile vertan haben.
22. August 1913
Ein gemeiner Streich wurde gestern abend gegen 9 Uhr am Seidelberg verübt. Von ruchlosen Händen ist in etwa 20 Zentimeter Höhe eine Schnur über den Weg gezogen worden. Eine dort wohnende junge Frau, welche um die genannte Zeit den Weg passierte, wäre beinahe recht ernstlich zu Schaden gekommen, indem sie über die Schnur stürzte. Eine solche rohe Handlungsweise verdiente eine recht nachdrückliche Strafe.
24. August 1913
In unserer Stadt geht das Gerücht um, daß sich der nach der Unterschlagung ziemlich bedeutender Summe flüchtig gewordene Kaufmann H. in der Schweiz habe von einem Eisenbahnzug überfahren lassen. Eine Bestätigung des Gerüchts konnten wir aber an keiner Stelle erhalten.
28. August 1913
Seit wenigen Tagen hat, wie schon kurz gemeldet, unsere Stadt ihren dritten Brunnen erhalten. Dem von üppiger Vegetation umwucherten Springbrunnen in den Friedhofsanlagen und dem monumentalen Altmarktbrunnen folgte ein kleiner Wandbrunnen im Hofe des Rathauses. Wie der an zweiter Stelle genannte steht er im Zusammenhange mit dem 400jährigen Stadtrechtsjubiläum, das unsere Stadt 1910 feierte. Hatte jenen der sächsische Kunstfonds gestiftet, so schenkte den Wandbrunnen, wie die Inschrift besagt, Se. Erlaucht der Graf Joachim, Graf und Herr von Schönburg, in Glauchau. – Das kreisförmige Becken ist an die nördliche Umfassungsmauer des Rathauses angesetzt. Es steht auf einer größeren Steinplatte und wird an der Mauer von einer anderen Platte überragt, durch die das Wasserauslaufrohr führt und die die Inschrift trägt „Stadtrechtsjubiläum 1510-1910“. Den einzigen Schmuck des Brunnens trägt diese Platte, nämlich das Schönburgische Wappen. Es ist ein sogenanntes Mantelwappen. Der Helm fehlt, dafür wird der Schild von dem Purpurmantel umgeben, auf dem die Fürstenkrone liegt. Bekanntlich führt auch die gräfliche Linie des Hauses Schönburg das Fürstenwappen. Der nette kleine Brunnen wird dadurch besonders interessant, daß er berufen ist, dem praktischen Leben zu dienen. Den bei dem starken Verkehr an Wochen- und Jahrmarktstagen immer sehr zahlreichen durstigen Kehlen wird er das erquickende Naß spenden. Außerdem ist sein Wert als Zierstück nicht gering auszuschlagen. Wer sich künftig als Fremder den Altmarkt und den Kirchplatz besehen und an ihren mehrfach erhaltenen schönen alten Gebäuden, an den durch Stolleneingänge, Denkmäler sowie Gedenktafeln wachgehaltenen historischen Erinnerungen und ferner an der malerischen St. Christophorikirche erfreut hat, der wird dann nach einem Viertelstündchen Rast auf den rosengeschmückten, aussichtsreichen Terrassen wohl auch den Rathaushof besuchen, der hoffentlich in nicht zu ferner Zeit recht hübsch mit Zierpflanzen ausgestattet sein wird. Hier erzählt ihm das ehrenwürdige Portal mit Helm und Schild der Schönburger von 1702 aus alter Zeit. Und wenn dann vom Rathaustürmchen das alte Bergglöcklein die Abschiedsstunde schlägt, dann wird der Wanderer ungern von einem der schönsten Städtebilder Sachsens scheiden, über de, verständnisvolle und kunstsinnige Menschen bewahrend walten mögen, wie hoch oben in St. Christophs großer Wetterfahne der alte deutsche Reichsadler mit dem Schönburgischen Schild auf der Brust seine Schwingen schützend über diesem Glanzpunkt sächsischer Städte hält.