09. August 1910
Ein Zeuge aus jener Zeit, in der in hiesiger Stadt der Erzbergbau in voller Blüte stand, ist in letzter Zeit wieder zum Vorschein gekommen. Wir meinen die Eisenhöhle im fürstlich Schönburgschen Walde, unterhalb des städtischen Wasserwerks am Pechgraben oder der sogenannten Schwarzbach gelegen. Die Höhle war mehrere Jahre verschüttet, so daß ein Eindringen in dieselbe unmöglich war. Da nun aber in letzter Zeit dort seitens einer auswärtigen Firma nach wilden Serpentinitstein gegraben wird, hat man die Eisenhöhle wieder freigelegt. Mit echt vermutet man, daß die Höhle, in die man nur in gebückter Stellung gelangen kann, ein Stolln ist, den vor mehreren Hundert Jahren emsige Bergleute in den Berg getrieben haben, um dort Edelerze zu graben. Ist man einige Schritte eingedrungen, so erweitert sich die Höhle, bis sie ziemlich mannshoch wird. Doch ist ein weiteres Eindringen infolge der Wassertümpel etwas gefährlich. Besucher der Höhle schützen deren Länge auf mehrere Hundert Meter, während wieder andere Leute behaupten, daß die Höhle nach dem Orte Rabenstein führe und früher dort zutage geführt habe. Ein vollständiges Durchgehen ist jetzt überhaupt ausgeschlossen, da der Gang tief im Berge verschüttet ist. Da in dem dort gelegenen Steinbruch der Eisenstein, in dem sich Adern des wilden Serpentinitsteins befinden, gebrochen wird, so benutzen die dort schaffenden Arbeiter die Höhle als Aufbewahrungsort für ihre Werkzeuge und Kochgeräte. Auch bei Sturm und Wetter dürfte sie als Schutz dienen. Der Serpentinstein wird zu allerhand Schmuck- und Wirtschaftsgegenständen, wie Blumenvasen, Streichholzständern usw. verwendet.
14. August 1910
Rüstig vorwärts gehen jetzt die Neuresp. Erweiterungsbauten verschiedener hiesiger industrielles Etablissement. Die Bauten der Firmen Gebr. Müller (Handschuhfabrik), Badstraße und Krumbiegel (Trikotagenfabrik), Konrad-Klaus-Straße, sind zum größten Teil fertiggestellt, während der Bau der Firmen Anton Haase (Nadelfabrik), C.F. Jäckel (Webfabrik), ein gut Stück in die Höhe sind. Der Neubau der Firma Theodor Lieberknecht, am Bahnhof, deren Maschinenfabrik bekanntlich vorigen Spätherbst zum größten teil abbrannte, nimmt einen bedeutenden Komplex ein und wird zum Teil an der östliche Seite, zum Teil an der westlichen Seite der stehengebliebenen Gebäude errichtet. Alle Bauten sollen heuer noch vollendet und so schnell als möglich in Betrieb genommen werden. Rechnet man noch dazu die Bauten der Firmen Karl Wagner (Pantoffelfabrik), Eduard Beckert (Färberei), Joh. Alb. Winkler (Trikotagenfabrik), Halpert und Comp. (Webfabrik) und die Webfabrik von Berghähnel, die im vorigen Jahr errichtet wurden, so kann man mit dem Fortschritt unserer Industrie in den letzten zwei Jahren recht zufrieden sein. Auch die neueingeführten Industriezweige , die die erfreulicherweise mehrere Firmen aus dem Limbach-Grünaer Handschuhbezirk nach hier verlegten, beschäftigen eine Anzahl Arbeiterinnen und dürfen dürften für immer in unserer Stadt Fuß gefaßt haben.
18. August 1910
Aus Anlaß des bevorstehenden 400jährigen Stadtjubiläums dürfte es vielleicht interessieren, einmal einen kleinen Rückblick auf das Innungswesen hiesiger Stadt zu werfen. Die ältesten Innungen sind bekanntlich die der Bäcker, Fleischer und Weber. Letztere Innung entstand bereits im letzten Regierungsjahre des Herzogs Georg von Sachsen, 1538, und unter der Herrschaft der Grafen Georg und Wolf zu Glauchau und Waldenburg-Schönburg. In diesem Jahre bildete sich eine geschlossene Innung im jungen Städtchen, der damals schon 50-60 Leinwandweber angehörten. Das Innungsleben blühte damals auf, da die Innungen ihrem Gewerbe allen denkbaren Schutz innerhalb der Stadt und der umliegenden Dörfern zu wahren wußten. Später entstanden dann im benachbarten Ernstthal eine Strumpfwirker- und Töpferinnung. Die der Strumpfwirker mußte sich infolge Mangels an Mitgliedern bereits im letzten Viertel des vorigen Jahrhunderts auflösen. Welchen rapiden Rückgang die Handwirkerei in unserer Stadt durchzumachen hatte, ersieht man am besten daraus, daß unseres Wissens nach nur noch ein einziger ehemaliger Innungsmeister am, Leben ist; es ist dies der ehemalige Innungsmeister Wilh. Neubert, jetzt noch wohnhaft in der Neustadt. Er ist noch Träger der Bahrtuches der Innung. Selbiges liegt in der Trinitatiskirche, wird aber nur noch selten bei Begräbnissen in Gebrauch genommen. Weiter hatte unsere Stadt auch noch eine Töpferinnung. Der Innungsbrief der letzteren ist im Jahre 1753 vom Grafen Albert Christian Ernst zu Schönburg auf Schloß Hinter-Glauchau ausgestellt worden. Auch dieser Innung entstanden wesentliche wirtschaftliche Vorteile durch ihren Innungsbrief. Leider sollen unsere städtischen Archive gar nichts erhalten, was über die Gründung- und Auflösung der letzteren Innung Aufschluß geben könnte. Von der Strumpfwirker-Innung sind erfreulicherweise Zeichen ehemaliger Innungsherrlichkeit dem Stadtmuseum einverleibt worden. An beiden letzteren Innungen aber sieht man, daß der Zahn der Zeit und die fortschreitende Technik verheerend wirkten.
24. August 1910 – Unser Stadtjubiläum.
Verrauscht sind die herrlichen Tage unseres Stadtjubiläums. Unseres Heimatfestes – der Vergangenheit gehören die einzigschönen Stunden an; die wir dank der äußerst geschickten Anordnungen der Festausschüsse, die mit dem Arrangement eine Riesenarbeit geleistet haben verleben durften. Festfreudigkeit und Festbegeisterung herrschte allenthalben – kaum daß die Stimmung sich durch den gestern nachmittag, als das Fest schon wieder im schönsten Zug war, niedergegangenen schweren Regenguß in einigem beeinträchtigen ließ. Die kühlere Witterung war dem Feste nicht zum Schaden, und der feine Regen, der zu verschiedenen Zeiten niederging, ward eben mit in Kauf genommen. Die Innungen und unsere Schützen ließen es sich nicht nehmen, ihre Kostüm-Umzüge zu wiederholen, und diese kamen gestern fast noch besser zur Wirkung, als es bei dem gewaltigen Menschenandrang am Sonntag der Fall war. Gestern dürfte die Zahl der Festplatzbesucher etwa 800 betragen haben – immerhin eine Zahl, die schon imstande ist, die Vergnügungsstätte merklich zu füllen. Das Leben und Treiben in der „alten Stadt“ stand denn auch dem des Haupttages nicht in vielen nach. Ein großes Besucherkontingent stellten wieder die unserer Stadt benachbarten Ortschaften; wir möchten fast behaupten, dieser Besuch war nicht viel geringer als am Sonntag, das konnte man an der großen Zahl leerer Geschirre beobachten, die in verschiedenen Straßen nahe beim Markte Aufstellung gefunden hatten. Eine kleine Veränderung gegenüber dem Hauptfesttag war insofern zu beobachten als man den Tanzplan „Außer Kurs“ gesetzt hatte; die Kapelle spielte im Saale des „Schwanen“ zu fröhlichem Tanze auf, dort war man gefeit gegen etwaige Tücken des Wetters. In vielen Fabriken ruhte gestern der Betrieb am Nachmittage, und so konnten viel Festteilnehmer sich beizeiten auf den Weg machen, jenen Punkt aufzusuchen, an dem ihr Vergnügen am Sonntag seinen Abschluß gefunden, um sich an die Fortsetzung des Amüsements zu machen und sich von neuem in den Feststrudel zu stürzen. Ebenso wie die Kauflust eine fast ungeschwächte war, konnte man kontaktieren, daß auch am Montag die Hauptnahrungsmittel, deren Festbesucher bedarf um allen Anforderungen gewachsen zu sein, die solch ein Tag an ihn stellte, „stark gefragt“ waren. Der Umsatz war ein ganz enormer – allerdings je nachdem dieses oder jenes Lokal sich des Besuchs erfreute. Es ward hier zur Evidenz bewiesen, daß unsere Festbesucher zu den ebenso trinkfrohen wie trinkfesten gehörten. Da es , wie wir sagten, ab und zu auch eine kleine Anfeuchtung des äußeren Menschen von oben herab gab, konzentrierte sich der Hauptverkehr nach den Schankstätten zu; selten war da ein leeres Plätzchen zu erhalten – man war hier sehr seßhaft geworden, zumal in den Abendstunden, nach dem die Sänger und die einzelnen Kapellen wieder „in Funktion“ getreten waren. Im großen und ganzen glich der gestrige Schlusstag eben dem Sonntag, und so ist über den verlauf desselben nicht viel Neues zu berichten. Neu in der Erscheinung trat gestern die Speisung von hiesigen Armen, für welche die Stadt im „Ratskeller“, „Stadtkeller“, und Restaurant „Stadt Glauchau“ ein Mittagsmahl hatte anrichten lassen. So hat denn unser Stadtfest einen in jeder Hinsicht würdigen, jeden Besucher wirklich befriedigenden und unvergesslichen Verlauf genommen. War zu seinem guten Gelingen die aufopferungsvolle Mitarbeit vieler Kreise unserer Bürgerschaft nötig, so ist es doppelt erfreulich, daß diese uneigennützige Mitarbeit von schönstem Erfolge gekrönt war, und dies mag der schönste Lohn sein für alle, die sich freudig und gern, begeistert für all das Schöne, was sie zu bieten imstande waren, der mitunter nicht leichten Betätigung unterzogen. Zu einem neuen Jahrhundert emsigen Schaffens und Strebens, zu weiterem Blühen und Gedeihen unseres Stadtwesens erbitten wir den Segen und Schutz des Höchsten, der bis hierher alles so gut geführt!