08. Dezember 1910
Vor einem Hause der Chemnitzer Straße entstand gestern abend ein Menschenauflauf, verursacht durch ein dort wohnendes Ehepaar, daß dermaßen in Streit geraten war, daß die Frau den Ehemann mit Prügeln bedrohte. Beide sagten sich natürlich keine Schmeicheleien, sodaß sich das Publikum nicht langweilte.
09. Dezember 1910
Der Neubau der vor einem Jahr abgebrannten Lieberknechtschen Maschinenfabrik ist nun soweit fertiggestellt daß die Handwerker im Innern der Fabrik die letzten Arbeiten vollenden. Eine große Anzahl Arbeitsmaschinen sind bereits in den neuen Räumen aufgestellt, sodaß der volle Betrieb in der nächsten Zeit wieder aufgenommen werden kann. Auch die beiden anderen Fabrikerweiterungsbauten der Webfabrik C. F. Jäckel und der Nadelfabrik von Anton Haase sind äußerlich vollendet. Auch in diesen Neubauten legt man im Innern die letzte Hand und dürften die maschinellen und Betriebs-Einrichtungen so schnell als möglich fertig gestellt werden. Die Firma C. F. Jäckel wird demnächst noch eine größere Anzahl mechanische Webstühle aufstellen.
11. Dezember 1910
Gestern abend gegen ½ 6 versagte plötzlich der elektrische Strom und erst ½ 8 konnten die Abnehmer wieder in Besitz von Licht und Kraft treten. Daß dieses Versagen gerade in der regen Geschäftstätigkeit peinliche Störungen hervorrief, ist selbstverständlich, und wohl dem, der neben dem Glühlicht noch Gas zur Verfügung hatte und diesen nie versagten Lichtspender zu Hilfe rufen konnte. Wie wir hören, war in einem der Transformatoren eine Sicherung durchgebrannt. Solche Störungen werden bei elektrischer Energie nie ganz zu vermeiden sein; nur sollten sie nicht so oft eintreten wie in letzter Zeit. Vor kaum vier Wochen erst war stundenlang die Stromlieferung unterbrochen, da der starke Schneefall Leistungen und Masten beschädigt hatte.
14. Dezember 1910
Ein bedauerlicher Unglücksfall trug sich am Sonntag gegen Abend im Hüttengrund zu. Der dort in der Nähe des Mineralbades wohnende, in den 60er Jahre stehende Maurer und Hausbesitzer Herrmann Lorenz stürzte in einem Schwindelanfall die Treppe herab. Er fiel mit solcher Wucht in die Hausflur, daß er eine schwere Verletzung des Rückrates und einen Genickbruch erlitt, sodaß er auf der Stelle tot war. Lorenz war Veteran und hatte die Feldzüge von 1866 und 1870 mitgemacht. Der Unfall ist umso bedauerlicher, als die Ehefrau des Verunglückten schon seit sechs Jahren schwer krank daniederliegt.
16. Dezember 1910
Ein Diebstahl ist in einer hiesigen, ziemlich freistehenden Villa verübt worden. Dort fand ein Fremder Zutritt, der jedenfalls zu betteln beabsichtigte. Er kam dabei in einen Vorraum, der zur Kleiderablage dient, und nahm dort einen hellgrauen Sommer-Ueberzieher an sich, in dem ein auf einen ansehnlichen Betrag lautendes Sparkassenbuch steckte. Von dem Spitzbuben, einem jungen Manne, hat man nur eine ungenaue Beschreibung. Er trug einen dunkelbraunen weichen Filzhut, unter dem Jackett einen schmutzig-weißen Schwitzer und führte eine schwarze Ledermappe mit sich. Beim Verlassen der Villa trug er den Ueberzieher auf dem Leibe und flüchtete.
25. Dezember 1910
Im hiesigen Armenhause fand gestern nachmittag ½ 5 Uhr unter Beisein des Herrn Bürgermeister Dr. Patz, des Herrn Stadtrat Reinhard und einiger Herren Stadtvertreter die Weihnachtsbescherung statt. Kerzenschimmer, helles Lied und herzliches Wort brachten für die fünf Insassen der Anstalt die rechte Feststimmung, die noch durch die den Armen bereiteten Gaben wesentlich erhöht wurde. Danach hielt der Weihnachtsmann Einzug im Waisenhause, wo ihn erwartungsfrohe Gesichter der acht Kinder und 15 Insassen begrüßten. Auch hier dieselbe schlichte Feier, nachdem sich noch Kollegien den im Armenhause anwesenden zugesellt hatten. Nur war hier das Regen und Bewegen ein etwas reicheres; denn wo gläubige Kinderherzen mit beteiligt sind, da ist die Stimmung von selbst etwas lebhafter. Für die Veranstalter aber war es mitbeglückend, den Kindern, denen Elternhaus und Vater und Mutter, und den Insassen, denen ein eigenes trautes Heim versagt ist, eine rechte Freude bereitet zu haben. Zuletzt kam die frohe Botschaft vom Heiland, der die Kranken heilte, auch zu den Aermsten der Armen, denen des Leibes Gesundheit versagt ist: zu den Krankenhausinsassen. Alle, auch die Bettlägerigen, waren im Festraum versammelt und allen wurde durch die herzlichen Worte, durch frohes Lied und die Anteilnahme der Miterschienenen eine rechte Weihnachtsfreude zuteil, gleichviel, ob unter den Kranken unglückliche Ortsangehörige, kranke Dienstboten oder Ritter von der Landstraße mitversammelt waren. In allen drei Anstalten verkündete Herr Pastor Dybeck das Weihnachtsevangelium und Frau Pastor Dybeck verschönte durch Harmoniumbegleitung die Feiern, während acht Chorknaben von St. Trinitatis durch frischen Gesang erfreuten.
Wie wir von gutunterrichteter Seite erfahren, ist nunmehr, nachdem alle Vorarbeiten erledigt und alle Schwierigkeiten behoben sind, die Ausführung der elektrischen Straßenbahn von Hohenstein-Ernstthal über Gersdorf nach Oelsnitz der Aktiengesellschaft für Bahnbau und Betrieb in Frankfurt a.M. übertragen worden. Der Bau der Bahn wird, soweit jetzt vorauszusehen, schon im zeitigen Frühjahr seinen Anfang nehmen.