02. Februar 1911
Der Erzgebirgsverein steht in diesem Jahr bekanntlich vor großen Aufgaben: gilt es doch in den neuen Anlagen auf dem Berge den Festplatz und das Festgelände zu schaffen, die künftig hin den Mittelpunkt für die Volksfeste abgeben sollen. Angesichts dieser verantwortungsvollen Tätigkeit ist dringend zu wünschen, das die Versammlungen des Vereins, die bekanntlich wahrscheinlich öfter als sonst stattfinden müssen, mehr Anteilnahme seitens der Mitglieder als bisher. Wenn auch die Mitglieder durch ihr „Schwänzen“ dem Vorstand ihr Vertrauen bezeugen, das er alles Zweckdienliche aufs Beste erledigen wird, so ist es doch sowohl dem Vorstande wie den wenigen Getreuen , die regelmäßig die Versammlungen besuchten, angenehmer, wenn eine zahlreiche Versammlung sich zu den Notwendigkeiten des Vereins äußert, als wenn zwanzig Herren die wichtigsten Beschlüsse fassen. Wir möchten dieserhalb den Appell, den gestern abend Herr Stadtrat Anger an die Versammelten richtete, an dieser Stelle weitere Verbreitung geben und alle Mitglieder zu reger Mitarbeit auffordern. Die gestrige, im „Deutschen Krug“ abgehaltene Versammlung war von verhältnismäßig kurzer Dauer, da sie sich nur mit einem Gegenstand der Genehmigung eines mit der „Turnerschaft“ abgeschlossenen Vertrags zu beschäftigen hatte. Dieser Vertrag geht bekanntlich dahin, der „Turnerschaft“ ein etwa 6000 Quadratmeter umfassendes Areal auf eine Reihe von Jahren zur Herstellung einer Turnhalle in Erbpacht zu geben unter der Bedingung, daß die Turnerschaft ihrerseits Halle und Platz zur Abhaltung der Volksfeste des Erzgebirgsvereins kostenlos zur Verfügung stellt. Die „Turnerschaft“ hat ihre Bereitwilligkeit, mit dem Erzgebirgsverein in ein derartiges Vertragsverhältnis zu treten zu erkennen gegeben, sodaß die gestrige Versammlung in der Lage war, den Vertrags-Entwurf, wie er von beiden Kontrahenten vereinbart worden ist, mit geringfügigen Abänderungen zu genehmigen. Sobald die „Turnerschaft“ in einer erneuten Versammlung ihrerseits wieder die Genehmigung zu den Abänderungen des Entwurfs gegeben hat, steht der Verwirklichung des Planes kein Hindernis mehr im Wege. Man darf somit voraussichtlich damit rechnen, schon in diesem Jahre auf dem Berge nicht nur die Halle und den Platz der „Turnerschaft“ sondern auch das Festgebäude des Erzgebirgsvereins erstehen zu sehen. In den leitenden Kreisen des Vereins ist man der festen Hoffnung, schon in diesem Jahr das Volksfest oben auf der Höhe abzuhalten.
05. Februar 1911
Erlogen war die Mitteilung eines Mädchens, es sei oberhalb des Forsthauses Oberwald von einem fremden Mann überfallen und der Barschaft in Höhe von 15 Mark beraubt worden. Die Schwindlerin heißt Martha Frieda Kirschstein; sie wurde am 1. d. M. mittellos aus dem hiesigen Stadtkrankenhause entlassen und hat, wie es heißt, auch früher schon in anderen Fällen ähnlich unwahre Angaben gemacht. Die lügenhafte Person gab nach dem angeblichen Ueberfall an, sie sei bei dem Gutsbesitzer Leonhardt in Tirschheim bedienstet, dieser habe ihr 15 Mark zur Ablieferung an einen hiesigen Malermeister übergeben. Da sei ein Mann aus dem Walde gekommen, habe sie angefallen, wobei das Jackett zerrissen wurde und dann beraubt. Alle diese Angaben stellen sich jetzt als völlig erlogen heraus. Nach dem Verbleib des Mädchens wird noch geforscht.
07. Februar 1911
Ein bedauerlicher Unglücksfall trug sich am Sonnabend abend auf der unteren Weinkellerstraße, neben dem Hotel „Schweizerhaus“ zu. Die schon ältere Frau eines Briketthändlers vom Landgraben bei Mittelbach war im Begriff, noch über die Straße zu gehen, als das Pferd eines einspännigen Schlittens vor einem einlaufenden Zug scheute und die Frau überfuhr. Sie geriet unter den Schlitten und wurde ein Stück geschleift, wobei sie erhebliche Verletzungen am rechten Unterschenkel und am Hinterkopf erlitt. Die Aermste wurde sofort ins „Schweizerhaus“ getragen und in ärztliche Behandlung gegeben. Einer Ueberführung ins hiesige Krankenhaus durch zwei Samariter widersetzte sie sich und wurde nach ihrer Wohnung gefahren. In Begleitung der Frau befand sich zurzeit des Unglücks der Ehemann.
14. Februar 1911
In plötzlichen Entschluß machte heute früh der Lehrer an der Altstädter Bürgerschule Herr Max Guido Krause seinem Leben durch einen Schuß in die rechte Schläfe ein vorzeitiges Ende. Ueber die Ursache zu diesem bedauerlichen Schritte ergeht man sich vorläufig nur in Vermutungen, doch sei vorweg bemerkt, daß irgendwelche ehrenrührige Gründe nicht in Frage kommen. Der Lichtensteinerstraße ein Zimmer bewohnte, hatte sich heute früh zum Gang in die Schule fertig gemacht, er bekam seinen Morgenkaffee durch eine von der abwesenden Logiswirtin beauftragte Stubennachbarin und gleich darauf – es war gegen ½ 8 Uhr – hörten Hausbewohner einen scharfen Knall und ein schweres Aufschlagen auf die Diele. Als man näher zusah, fand man Herrn Kr. Im Zimmer entseelt vor. Die Bücher, deren er zum Unterricht benötigte, sowie Taschenmesser, Uhr, Portemonaie usw. lagen auf dem Tische, der Kaffee war kaum berührt. Auf einem Zettel hinterließ der so schnell aus dem Leben Getriebene, der im Alter von 36 Jahren stand, eine Mitteilung des Inhalts, daß er sterben wolle, weil seine Nerven nicht mehr widerstandsfähig seien. Kurz vor der Tat erhielt er noch einen Brief von seinem auswärts wohnenden Zwillingsbruder, den er, wie es heißt, wiederholt finanziell unterstützte. Ob dieser Brief vielleicht den Anlaß zu dem traurigen Schritt gegeben hat, ist vorläufig noch unaufgeklärt. Gleich nach dem Bekanntwerden des Falles wurde die Leiche polizeilich aufgehoben und nach der Friedhofshalle gebracht. Herr Krause, der unverheiratet war, wurde am 9. März 1875 zu Elbisbach bei Borna geboren, genoß seine Vorbildung auf dem Seminar Grimma II, war von 1895 ab Vikar in Belgershain und Hilfslehrer in Ragewitz, um dann im Jahre 1898 zum ständigen Lehrer in St. Egidien gewählt zu werden. Seit 1900 war er an unserer Schule angestellt. Als treuer und biederer Mensch und Kollege erfreute er sich der Achtung der ihm nahe stehenden Kreise.
26. Februar 1911
Am Mittwoch mußte ein hiesiger Einwohner, der auf der Karlstraße turbulente Szenen aufführte, verhaftet werden, weil er in der Trunkenheit Hausskandal verübte und Hausmitbewohner bedrohte. Gestern erhielt er die Freiheit wieder, und sein Erstes war, den einmal begonnenen Krawall fortzusetzen. Er machte sich hierbei auch der Körperverletzung und als zu seiner Bändigung die Polizei herbeigeholt war, des Widerstands schuldig. Deshalb erfolgte seine abermalige Verhaftung und seine Ueberweisung ans Amtsgericht.
28. Februar 1911
Heute nachmittag wurde in einem Bäckerladen auf der Bahnstraße ein junger Mann festgenommen, der im Begriff war, die Ladenkasse zu berauben. Der Mensch will die Absicht gehabt haben, Brötchen zu kaufen, schnitt beim Öffnen der Ladentüre den Klingeldraht durch und glaubte nun, da niemand im Laden war, ungestört die Kasse ausleeren zu können. Er hatte aber nicht damit gerechnet, daß die Kasse extra durch eine Klingelleitung, die nach der Wohnstube des Bäckermeisters ging, gesichert war. Als er nun den Kasten herauszog, kam auf das Läuten der Meister herbei und nahm den Burschen fest. Er hatte sich bereits aus der Ladenkasse 8 Mark. und aus einem anderen Kasten 2.25 Mk. angeeignet. Der Dieb entpuppte sich als der am 26. Januar 1891 in Kirchberg bei Zwickau geborene domizillose Weber Ernst Karl Wellner, der erst vor kurzem wegen eines in Dippoldiswalde begangenen Diebstahls eine Gefängnisstrafe verbüßt hatte. Das Gefängnis wird sich für ihn nun abermals öffnen.