03. Juni 1911
Immer näher rückt der Zeitpunkt, an dem unser schöner Altmarkt einen weiteren Schmuck erhalten soll in dem vom Sächsischen Kunstverein gestifteten Zierbrunnen.
Heute mittag fand im Beisein des ausführenden Künstlers, Herrn Bildhauer Petrenz aus Dresden, mit einer Pappen-Silhouette eine Versuchsausstellung statt, bei welcher der für die Anlage günstigste Platz an der Westseite des Rathauses gefunden wurde, und zwar an der vorderen linken Ecke. So weit an dem Modell zu erkennen war, wird die Schmuckanlage, die eine lebensgroße Wasserträgerin zeigt, einen recht gefälligen Eindruck machen. Wie wir hörten, besteht die Möglichkeit, den Zierbrunnen vielleicht im Juli zur Aufstellung zu bringen.
07. Juni 1911
Wie von einzelnen Unverschämten die Mildherzigkeit ausgenutzt wird, konnte man am ersten Feiertage erleben, wo auf dem sog. Grünen Weg im Hainholze sich ein junger kräftiger Bursche mit einem Grammophon aufgestellt hatte und durch seine Musik die Herzen der Vorübergehenden rühren und sie zur Herausgabe eines Bettel-
pfennigs bewegen wollte. Das Unternehmen ging auch eine Weile ganz flott, bis der Bursche bemerkte, daß man auf sein Treiben aufmerksam geworden war und sich seitwärts in die Büsche schlug.
08. Juni 1911
Die öffentlichen Anlagen in unserer Stadt sind dem Schutze des Publikums unterstellt, das will besagen, daß jeder, der Kenntnis von Beschädigungen erhält, dagegen einschreiten soll. Kaum beginnen die von unserem Rosenverein zur Verschönerung des Altmarktes gestifteten Rosen sich zu beleben, so treiben auch schon Blumenräuber ihr verwerfliches Spiel, wie jetzt festgestellt werden konnte. An der östlichen Seite des Marktes, an der man bereits das Aufblühen der Rosen bemerkte, ist ein solches Rosenstöckchen herausgerissen und mitgenommen worden. Wer den Dieb der verdienten Strafe zuführen kann, erwirbt sich den Dank der Allgemeinheit!
10. Juni 1911
Als gestern abend gegen 12 Uhr ein auf der König Albertstraße *1 wohnender älterer Mann durch das Kunzegäßchen nach seiner Behausung gehen wollte, hörte er Hilferufe, die von der Conrad Claußstraße kamen. Bei seinem Näherkommen gewahrte er ein junges Mädchen, das ihn um Hilfe anging und erklärte, soeben habe ein fremder Mann ein anderes in ihrer Begleitung gewesenes Mädchen an sich gerissen und mit fortgezogen. Als man den Menschen verfolgte, ließ er von dem Mädchen ab und entkam, leider unerkannt. Ein Absuchen der Straße und des nahen Baugrundstücks war ohne Erfolg.
15. Juni 1911
Nach kurzem Kranksein verschied gestern nachmittag im 69. Lebensjahre Herr Stadtrat und Färbereibesitzer Eduard Julius Beckert. Mit dem Verablebten geht ein treuer, ehrenfester Bürger unserer Stadt heim, der in seinem Berufe Ansehen und Ehre gewann und lange Jahre hindurch seine Kräfte in den Dienst unseres städtischen Gemeinwesens stellte. Erst im vorigen Jahre schied er aus dem Ratskollegium, um seinen Lebensabend ganz sich und den Seinen zu widmen.
Möge ihm, dem Arbeitsamen, der bis in die letzten Tage seinem Geschäfte vorstand, Ruhe und Frieden beschieden sein!
20. Juni 1911
In plötzliche Trauer versetzt wurde die Familie des auf der Logenstraße wohnenden, in den 60er Jahren stehenden Privatmannes und Veterans von 1870/71 Herrn Fritz Peenert. Herr Peenert hatte am Nachmittag noch einen Spaziergang mit seiner Gattin unternommen. Als er am Abend zu Bett gehen wollte, wurde ihm plötzlich unwohl und in kurzer Zeit hatte ein Schlaganfall seinem Leben ein plötzliches Ziel gesetzt. Der Verstorbene war allgemein beliebt und geachtet und hatte viele Jahre das jetzige Schiefnersche Restaurant in Besitz.
22. Juni 1911
Das Jahresfest im Bethlehemstift im Hüttengrund, das stets eine so große Zahl von Teilnehmern hinauslockt nach dem Erholungsheim der Kleinen, findet, wie wir hören, am Mittwoch, den 5. Juli, statt. Auch diesmal dürfte das Jahresfest einen Verlauf nehmen, der dem der früheren in nichts nachsteht.
24. Juni 1911
Trotzdem wir schon wiederholt an dieser Stelle auf das leichtsinnige Gebaren mancher Leute, Obstreste und Apfelsinenschalen auf die Bürgersteige zu werfen, aufmerksam gemacht haben, kann man doch diese Unsitte, die Leben und Gesund-heit der Mitmenschen in Gefahr bringt, wiederholt hier beobachten. Erst gestern gegen abend stürzte auf der unteren Weinkellerstraße wieder ein junger Mann nieder, weil er auf eine faulige Kirsche trat. Der Bedauernswerte trug eine, zum Glück leichtere, Armverletzung davon.
Empfindlich geschädigt wurde gestern das Karl Becksche Geschäft an der Wein-kellerstraße. Auf nur ganz kurze Zeit hatte der Inhaber zwischen 4 und 5 Uhr einmal seinen Laden verlassen und diese wenigen Minuten benutzte eine Person zu einem „billigen Einkauf“ insofern, als sie ein Stück schwarzen Damenkleiderstoff mitgehen ließ, der einen Wert von etwa 40 Mark hat. Ueber die Person des Diebes hat man leider gar keinen Anhalt. Etwaige Wahrnehmungen, die zur Wiedererlangung der gestohlenen Ware führen könnten, wolle man der hiesigen Polizei mitteilen.
27. Juni 1911
Gestern vormittag in der 11. Stunde überflogen unseren westlichen Stadtteil drei bemannte Ballons. Die Ballons sind in Schwarzenberg aufgestiegen, wo ein neuer Ballonaufstiegplatz eröffnet und geweiht wurde. Es waren die Ballons „Hilde“ des Herrn Korn, „Elbe“ des Königl. Sächs. Vereins für Luftschiffahrt und „K. Ae. G. 2“ des Kaiserlichen Aeroklubs. Letztere beiden Ballons wurden von den Herrn Leutnants Baldauf und Voigt geführt. Die Ballons flogen schnell und in bedeutender Höhe.
28. Juni 1911
Als gestern nachmittag kurz nach 6 Uhr der Hausbesitzer H. aus Reichenbach mit seinem Rade die Badstraße hereinfuhr, verunglückte er unweit der „Goldnen Höhe“ dadurch, daß ihm ein Kind in sein Rad hineinlief. Der Bedauernswerte wurde derart vom Rade geschleudert, daß er einen Bruch des rechten Daumens, sowie Hautab-schürfungen am Gesicht und an den Beinen davontrug. Ein hiesiger Arzt leistete ihm sofort ärztlichen Beistand.
*1 König Albertstraße = heute: Conrad-Clauß-Straße