01. Oktober 1911
Herr Stadtrat Paul Reinhard, der Inhaber des seit Ende 1820 bestehenden Bett- und Tischdecken-, Strumpf-Export- und Seiden- und Chenille-Fabrikationsgeschäftes G. F. Beck hier kann am morgenden 1. Oktober auf eine 25jährige Tätigkeit als Chef der Firma zurückblicken. Am 1. Oktober 1886 als Teilhaber in die alte, nunmehr seit drei Menschenaltern hochangesehene Firma aufgenommen, hat Herr Stadtrat Reinhard in unmittelbarer Tätigkeit es verstanden, dem Geschäfte immer neue Produktionszweige anzugliedern und es zu einem der ersten am hiesigen Platze zu machen. Der Segen des Fleißes, der bisher das Tun und Handeln des Jubilars begleitet hat, wird, das sind wir gewiß, auch im zweiten Vierteljahrhundert seiner geschäftlichen Tätigkeit nicht ausbleiben.
06. Oktober 1911
Ein Unglück konnte gestern nachmittag auf der Oststraße, in der Nähe des Neustädter Teichplatzes, entstehen durch einen schnellfahrenden auswärtigen Motorradfahrer, der beinahe zwei Kinder überfahren hätte. Nur dem schnellen Eingreifen einer Frau, die die Kinder noch rechtzeitig auf die Straße riß, war es zu danken, dass beide mit dem Schrecken davon kamen. Auch der Radler bremste sofort und so scharf, dass er vom Rade geschleudert wurde, ohne sich glücklicherweise nennenswerte Verletzungen zuzuziehen. Der Vorgang hatte schnell eine große Anzahl Leute angelockt, die in scharfen Worten Partei gegen den Radler nahmen.
11. Oktober 1911
In der vergangenen Nacht ist im Meisterhause ein Einbruch verübt worden. Die Diebe haben sich durch Eindrücken einer Fensterscheibe Eingang in das zu ebener Erde gelegene Gastzimmer verschafft, haben im Buffet alles durchwühlt, den Schutzkasten vom Wassersprühbehälter abgedrückt (glaubten Sie etwa daß hier Geld verborgen sein könnte?) und sich vier Schlüssel zum Grammophon und zu einem Wandschrank angeeignet. Anscheinend sind die Einbrecher aber dann gestört worden, so daß sie ihren Ausgang durch die Küche in den Hof nahmen und durch einen Schlüpfe wieder auf die Straße gelangten. Mitgenommen haben sie nichts, da das Geld im Grammophon noch vollständig vorgefunden wurde. In den Verdacht der Täterschaft kommen zwei Fremde, die in der gestrigen Mittagsstunde im „Meisterhause“ eingekehrt sind. Beide waren große, schlanke Männer, der eine mit schwarzem, der andere mit blondem Schnurrbart. Der Eine trug einen braunen, modefarbenen Anzug, frischen Stehkragen und braunen, langen Schlips. Er hatte vorher seinen graugestreiften Winterüberzieher bei einem hiesigen Pfandleiher verkauft. Der Andere trug ein in schwarze Leinwand gewickeltes Kästchen bei sich, in dem sich vielleicht Einbrecherwerkzeuge befanden. Bis jetzt hat man von den Einbrechern noch keine Spur.
24. Oktober 1911
Als ein Genie im Schwindeln und Betrügen erwies sich in diesen Tagen ein junger Mann von hier, der Sohn achtbarer Eltern. Am vorigen Donnerstag sprach er bei Herrn Sattlermeister G. Müller hier vor, gab sich als Sohn eines hiesigen Baumeisters aus und borgte auf dessen Namen ein Paar Reitgamaschen, ein Paar Sporen und eine Reitpeitsche, welche Gegenstände ihm auch ausgehändigt wurden. Als Sohn eines hiesigen Fabrikanten begab er sich dann zu einem Goldwarenhändler, ließ sich dort fünf goldene Ringe und zwei goldene Armbänder aushändigen, die er angeblich seinem Vater zur Auswahl überbringen sollte; auch in diesem Falle kamen dem Geschäftsmann keinerlei Bedenken über die Glaubwürdigkeit des Knaben und der junge Mann gelangte auf leichte Weise auch in den Besitz dieser Wertsachen. Am Sonnabend nachmittag in der 4. Stunde verlegte der Betrüger den Schauplatz seiner Schwindeloperationen in das Kontor einer hiesigen Fabrik. Hier spielte er – wiederum mit gutem Erfolg – den Sohn des Strumpffabrikanten Hösel in Wüstenbrand, verlangte vom Farbikherrn, mit dem Hösel in Geschäftsverbindungen steht, das Abrechnungsbuch, das über diese Verbindungen geführt wird und den sich aus der Abrechnung ergebenden Betrag vin 159,65 Mk. Das Auftreten des jungen Mannes war, wie in den vorerwähnten Fällen, so auch hier ein bestimmtes und sicheres, sodaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit seiner Ansprüche nicht entstanden und dem Betrüger das Abrechnungsbuch samt dem Gelde ausgehändigt wurde, worüber er quittierte. Erst zu spät kamen die Geschädigten dahinter, daß sie von einem Schwindler gebrandschatzt worden waren – in allen Fällen handelt es sich um ein en fein eingefädelten und schlau durchdachten Betrug. Dann ward aber auch festgestellt, daß der junge Mensch, indem der 18jährige Eugen Willy R. von hier ermittelt ward, bereits in Chemnitz, wo er in Stellung war, eine größere Unterschlagung und einen Betrugsversuch bei dortigen Banken verübt hatte. R. wurde noch am selbigen Abend von der Chemnitzer Kriminalpolizei verhaftet und nach Chemnitz ins Amtsgerichtsgefängnis abgeliefert.