2. April 1913
Ein aufregend-heiteres Wochenmarkterlebnis spielte sich gestern auf der Weinkellerstraße ab. Waren da zwei Marktbesucherinnen, die sich hier trafen, auf dem Plattenfußweg, der zuweilen auch für andere Passanten da sein soll, welch letztere aber in diesem Falle an dieser Stelle auf die Fahrbahn abbiegen und nach Passieren der schwierigen Stelle wieder auf den Fußweg weiter schritten, wir sagen, die zwei waren eifrig beschäftigt, über Saatenstand, Viehzucht und sonst noch mancherlei zu kosen und waren schließlich bei den lieben Nächsten „stecken geblieben“. Da gabs nun kein „Allewerden“, denn gar viel haben die jeweils auf dem Kerbholz und es war eine gar harte Aufgabe, das gesamte Material zu verarbeiten. Deshalb erbarmte sich ein einsichtiger Hausbesitzer, der es lange mit ansehen mußte und der auch Stühle im Ueberfluß besitzt, den Beiden einen Stuhl zu bringen. Darob allgemeines Gelächter und – Gezeter und nach kurzer Zeit eine Beendigung der schweren Arbeit.
3. April 1913
Die im westlichen Stadtteil, südlich der König-Albertstraße*, neu angelegte „Lutherstraße“ ist nun baulich soweit hergestellt, daß seit einigen Tagen die große Dampfwalze die letzten Arbeiten vollendet. Hoffentlich erstehen nun dort auf dem ehemaligen Dörfeltschen Grundstück bald Wohn- und Geschäftshäuser.
6. April 1913
Die Gruberhöhe, eins unserer schönsten Fleckchen in den Anlagen auf dem Berge ist von den Hinterbliebenen des Herrn Ehrenbürgers Karl Gruber in hochherziger Weise dem Erzgebirgsverein zum Geschenk gemacht worden. Damit ist der Verein Besitzer desjenigen Grundstückes geworden, auf dem durch seinen Mitbegründer und ersten langjährigen und verdienstvollen Vorsteher der erste Schritt zur Bepflanzung und Erschließung unserer Höhen getan worden ist. Muß sonach diese Anlage dem Verein besonders erinnerungsreich und teuer sein, so erscheint sie auch bestimmt, ein hervorragend schöner Zugang zu den Vereinsanpflanzungen und zum Stadtpark von Westen her zu werden. Die wunschgemäße und natürlich auch nur zu billigende Beibehaltung des Namens „Gruberhöhe“ wird das Andenken, wach halten an einen der treuesten Freunde unserer Einwohnerschaft, der den Grund dazu legte, in ihr die Freude an den heimatlichen Höhen und den Sinn für deren Erschließung zu erwecken, der da wußte, was dem in ihren Mauern emsig Tätigen zur Erholung nottut, der aber auch selbst Hand anlegte, einem großen Werke zum Erstehen zu verhelfen. Die Nachfolge in diesem Schaffen macht die Tätigkeit unseres Erzgebirgsvereins seit einer Reihe von Jahren aus. Binnen kurzem werden die ins Leben gerufenen Wäldchen im Frühlingsschmucke prangen und Einheimischen wie Fremden werden in Duft und Sonnenschein Stunden der Freude beschert sein. Möge dann der Anblick der Gruberhöhe an den Menschenfreund aus dem waldgrünen Thüringerwald gemahnen, aber auch den Wunsch rege machen, in seinem Sinne das Geschaffene schützen und erweitern zu helfen.
Gegenwärtig vollenden sich 150 Jahre, daß unsere Stadt stark unter dem siebenjährigem Krieg zu leiden hatte. Der Chronik Marburger berichtet darüber, daß Hohenstein in diesen Jahren viel Not und Drangsal ausgestanden hat, denn es stieg in den ersten Kriegsjahren (1756-1763) der Getreidepreis mit Gewalt. Alles Bewegliche kostete viel geld, nur die Grundstücke waren wegen der Abgaben und Lieferungen wohlfeil. Es mußte an die Armee nach Freiberg und verschiedenen anderen sächsischen Städten geliefert werden. Auch brachte man Betten für die Kranken und Blessierten. Hohenstein mußte 1763 zweimal 3000 Taler Kontribution zahlen, eine für die damalige Zeit ungewöhnlich hohe Summe. 1763 lag der Stab von einem sächsischen Dragonerregiments hier. Der Oberst hieß Stangen. Er lag im Eberhardtschen Hause und hatte 9 Livreebedienstete bei sich. Ein Jahr zuvor war ein Scharmützel zwischen den kaiserlichen Husaren und preußischen Dragonern um unseren Markt und um die Stadt herum. Im Jahre 1760 standen 30000 Mann Reichsarmee auf der Höhe zwischen Bernsdorf und Lichtenstein und zwischen Lungwitz und Bernsdorf. Die Generalität lag in Hermsdorf.
Ein bedauerlicher Unglücksfall trug sich gestern nachmittag auf der König-Albertstraße zu. In einem dortigen Fleischereigrundstück spielten einige kleine Knaben, als einer derselben, das 5jährige Söhnchen eines dort wohnenden Bäckermeisters, an einem vor einen Wagen gespannten großen Hund heranging und von diesem angefallen ward. Das wütende Tier biß dem Kind ein Ohr ziemlich ab, so daß sofort ärztliche Hilfe in Anspruch genommen werden mußte.
8. April 1913
Der morgige Dienstag ist für unsere Stadt ein Tag traurigen Gedenkens. An diesem Tage vollenden sich 50 Jahre, daß ein furchtbarer Brand ausbrach. In den ersten Morgenstunden des 8. April 1863ging im Hofe des Lohgerbers Uhlig auf der südlichen Seite der Dresdnerstraße ein Reisighaufen in Flammen auf. Das Feuer griff so schnell um sich, daß binnen kurzer Zeit 20 Häuser auf der Dresdner- und Weinkellerstraße nebst Hintergebäuden eingeäschert wurden. Dadurch wurden insgesamt 70 Familien mit 772 Personen obdachlos und verloren einen großen Teil ihrer Habe. Die Mildtätigkeit unserer Bevölkerung bewährte sich bei diesem Brandunglück aufs glänzende, denn die eingeleitete Sammlung für die Kalamitosen ergab einen Betrag von 3804 Taler 24 Groschen und 1 Pfg. Das Unglück war um so schwerer, da erst Hohenstein von zwei größeren Bränden heimgesucht worden war. Am 4. Mai 1862 früh nach 7 Uhr brach in einer Bodenkammer des Dähneschen Hauses Feuer aus, wodurch 5 Häuser mit Nebengebäuden, darunter die Lißner-Mühle, niederbrannte und am 25. Juli 1862 abends gegen 9 Uhr entstand im Stockschen Hintergebäude (jetzt Elster) Feuer, wodurch 13 Wohnhäuser an der Dresdnerstraße und der ehemaligen Neustadt mit einer Anzahl Hintergebäuden niederbrannte. Das Feuer hielt erst am Beckschen Garten an. Auch bei diesem Brand gingen 2576 Taler freiwillige Geschenke ein.
19. April 1913
Die neue Friedhofskapelle wie überhaupt die gesamte neue Friedhofsanlage der Trinitatisgemeinde bieten von unserem Berg aus einen malerischen Anblick. Entrückt dem lauten Getriebe des Alltags, auch für das schauende Auge seine Einzelheiten zeigend, sondern nur das Gefühl wohltuender Einordnung in das Gesamtbild des gegenüberliegenden sonnigstillen Höhenzuges erwecken, und noch nicht zu übersehen beim Bewundern der Gotteswelt, so ruft die Anlage herüber und hinauf ins reichflutende Leben. Mahnend, die Zeit zu nützen zu reinem Lebensgenuß, wird die Anlage auch manchen erinnern daran, daß man auch ihm „dort einmal singt“.
22. April 1913
Die denkwürdige Zeit vor 100 Jahren ging auch für die Bevölkerung unserer Stadt nicht spurlos vorüber. Namentlich der Monat April des Jahres 1813 brachte größere Truppendurchzüge. Am 2. April abends kamen die ersten preußischen Husaren nach unserer Stadt und zogen andern Tages nach Zwickau weiter. Dann folgten einzelne Trupps Russen. Am 5. April kamen 16 Kosaken hier an und gingen am 6. weiter. Ihnen folgten am 9. April eine Anzahl preußischer Soldaten mit Pulverwagen. Letztere gingen erst am 19. April weiter. Kaum hatten diese unsere Stadt verlassen, da trafen, an demselben Tage von Zwickau kommend 7000 Preußen ein und wurden in unserer Stadt verquartiert. Die Einwohnerschaft wurde dadurch stark belastet. Manche Häuser bekamen bis zu 24 Mann, einzelne sogar 36. Man atmete erleichtert auf, als die Preußen nach Penig weiter marschierten. Aber bereits am 21. April nachmittags trafen wieder eine große Menge Russen und Kosaken mit Geschützen ein. Anderen Tages kamen wieder russische Soldaten, dann war einige Tage Ruhe, bis am 29. April eine große Anzahl Russen, die erst hier durchmarschiert waren, wieder zurückkamen. Von den durchziehenden Franzosen mußten auch drei Mann krankheitshalber hier liegen bleiben. Sie starben und wurden im sogenannten Schinderholz unterhalb des alten Schießplatzes in der Nähe der jetzigen Lutherhöhe, begraben. Nach dem 29. April hörten die Truppendurchzüge zum Teil auf und begannen erst wieder in größerem Maße Mitte Juni 1813. Daß man die hier gestorbenen 3 Franzosen nicht auf dem damaligen Friedhof an der Dresdnerstraße beerdigte, sondern auf dem sogenannten „Schinderanger“, ist sehr bezeichnend und zeugt davon, daß man dem französischen Militär zu damaliger Zeit tiefen Groll und Haß entgegenbrachte, trotzdem dieselben blos Opfer der Verhältnisse und der napoleonschen Raubgier waren.