3. August 1915
Zwei Flieger im Zeitraum von einer halben Stunde zu sehen zu bekommen, gehört bei uns wohl zu den Seltenheiten. Ein Doppeldecker zog gestern vormittag bald nach 9 Uhr seine ruhige, sichere Bahn von Ost nach West und war, da er nicht sehr hoch flog, sehr gut zu beobachten; sein Flug ging etwa im Zuge der Dresdner Straße. Etwa eine halbe Stunde später war abermals ein Flieger zu sehen, der über de, westlichen Stadtteil dahinzog, und in der Richtung Nordwest flog.
4. August 1915
Anläßlich der neulichen Vollendung eines 25jährigen Zeitraumes seit der Begründung des Bethlehemstiftes im Hüttengrunde fand sich am Sonntag daselbst Herr Bürgermeister Dr. Patz ein, um eine von der Stadtgemeinde gestiftete Glückwunschadresse und Anerkennungsurkunde zu überbringen. Die Ehrenurkunde bei folgendem Wortlaut: „Dem Bethlehemstift des Niedererzgebirges hier werden anläßlich der Vollendung eines 25jährigen Zeitraumes seines Bestehens die herzlichsten Glückwünsche dargebracht. Tausende von Kindern fanden bei ihm Hilfe, und weiterhin drang der Ruf des Hüttengrundes als einer Stätte des reichsten Segens für Leib und Seele der daselbst Verpflegten. In dankbarer Anerkennung des gemeinnützigen Wirkens des Stiftes wird diese Ehrenurkunde ausgestellt. Hohenstein-Ernstthal, am 24. Juli 1915. Der Stadtrat. Die Stadtverordneten.“ Die unter Glas und Rahmen gebrachte Ehrenurkunde wurde durch Herrn Bürgermeister Dr. Patz dem Vorsteher des Bethlehemstiftes, Herrn Kirchenrat Siebenhaar aus Leipzig, unter entsprechenden mündlichen Glückwünschen überreicht.
5. August 1915
Wie wir seinerzeit mitteilten, hatten die städtischen Kollegien der Militärbehörde ein Gesuch um Befreiung des Herrn Bürgermeisters Dr. Patz vom Heeresdienst unterbreitet. Wie in der gestrigen Sitzung der Stadtverordneten mitgeteilt ward, hat dieses Gesuch Erfolg gehabt und der Herr Bürgermeister widmet sich bereits seit einiger Zeit wieder den städtischen Verwaltungsgeschäften. Im Anschluß an die allerorts geförderten Bestrebungen der Fürsorge für Kriegsbeschäftigte sollen auch hierorts Unterrichtslehrgänge für solche an der Web- und Wirkschule eingerichtet werden. Hierzu gab die Stadtverordneten-Versammlung ihre Zustimmung. Sie sprach sich ferner für die Schaffung einer Wasserleitung nach dem Altstädter Friedhofe aus, bewilligte die Kosten für die Beseitigung der Unwetterschäden in Höhe von 3020 Mk. und für den Neubau eines Schulabortes (Altstadt), der 5500 Mk. erfordert. Im weiteren Verlauf der Sitzung wurde mit Dank Kenntnis genommen von der Stiftung eines Kapitals von 10000 Mk. durch Herrn Fabrikbesitzer Ernst Meisch, der damit eine Freistelle im Bürgerheim König Albert-Stift für einen seiner Arbeiter und Angestellten errichtet. In geheimer Sitzung wurde sodann Beschluß gefaßt über die Errichtung einer örtlichen Kriegerstiftung und über einen städtischen Beitrag zur Stiftung „Heimatdank“.
7. August 1915
Eine Flaschenpost aus dem Rhein erreichte uns heute; Söhne unserer Stadt haben sie auf ihrer Fahrt ins Feindesland, und zwar bei Mainz, am 12. Juli dem Wasser anvertraut. Unterzeichnet ist die Feldpostkarte, die anscheinend nähere Bekanntschaft mit den Fluten gemacht hat, von Bruno Jahn, Max Oesterreich und Ernst Huth aus Hohenstein-Ernstthal, Max Böttcher aus Limbach, Joh. Schönig aus Lichtenstein. Einer der Namen ist unleserlich (Paul?). Der Bitte der Absender an den Finder, die Karte zu befördern, ist in dankenswerter Weise nachgekommen worden, wie folgender Vermerk zeigt: „Aufgefunden am 5. August am Ufer der Rostbergsau gegenüber von Mainz-Mombach. Hans Schrader, Wiesbaden, Stiftstraße 4, 1. Etg.“ Wir danken den Absendern für ihre freundlichen Grüße und wünschen ihnen gesunde und siegreiche Heimkehr.
8. August 1915
Ein herrenloses Grundstück wird soeben zur Versteigerung ausgeschrieben. Es handelt sich, wie aus der heutigen Bekanntmachung des Kgl. Amtsgerichts ersichtlich, um das zum Bäckereibetrieb eingerichtete Hausgrundstück Lichtensteiner Straße 12. Es ist einschl. der Innen-Einrichtung auf 18000 Mk. geschätzt und mit 10140 Mk. zur Landesbrandversicherung versichert und soll am 1. Oktober vormittags 10 Uhr im Wege der Zwangsvollstreckung „an den Mann gebracht“ werden.
13. August 1915
Gelegenheit macht Diebe – das ist ein Wort, das seine Geltung immer behalten wird. Umso leichter wird den Dieben die Ausübung ihres Handwerkes gemacht, wenn – wie dies auf Bleichplätzen geschieht – Sachen unbeaufsichtigt auch nachtsüber im freien liegen bleiben. So wurden in letzter Nacht von einem Bleichplatz am Schlackenweg mehrere Wäschestücke gestohlen, die einen Gesamtwert von gegen 30 Mk. besitzen. Es handelt sich um Frauenhemde, weiße Unterröcke und rotgestreifte Handtücher. Wahrnehmungen, die zur Ermittlung des Diebes führen könnten, bittet man der Polizei mitzuteilen.
20. August 1915
Einer kleinen Garnison glich gestern nachmittag unsere Neustadt, allwo auf dem Marktplatze um die Kirche herum eine Abteilung Chemnitzer Militär ihr „Lager“ aufgeschlagen hatte. Gegen 12 Uhr mittags war die 1, Kompagnie des 1, Ersatz-Bataillons des Infanterie-Regiments Nr. 181 aus der Garnison abmarschiert zu einer Feldübung auf dem Pfaffenberge. Vorher machte, nachdem die eine Hälfte der Kompagnie nach Meinsdorf abgebogen war, die andere Hälfte, die unter Führung des Herrn Leutnant Ende von hier in unsere Stadt eingezogen war, an dem Neumarkte Rast, wo die gleichfalls eingetroffene Regimentskapelle zur großen Freude der Anwohner ihre schönen Weisen ertönen ließ. Der militärische Besuch hatte eine große Zahl von Einwohner nach dem Neumarkt auf die Beine gebracht, und daß dabei auch für unsre lieben Landser, von denen fast alle schon am Feldzug beteiligt waren und verwundet heimgekehrt sind, etwas Leib- und Magenstärkendes abfiel, versteht sich am Rande. Unter den Klängen der zurückbleibenden Kapelle die später in Bürgerquartierte ging, zog die Abteilung gegen 1/28 Uhr aus nach dem Pfaffenberge, wo ein Nachtgefecht mit der aus Meinsdorf anrückenden zweiten Abteilung, der roten, stattfand. Auch dieses kriegerische Schauspiel hatte eine große Zahl „Schlachtenbummler“ nach dem Berge gelockt. Nach heftigem Feuergefecht blieb die rote Partei Sieger. Freund und Feind bezog sodann in den Bergfestbauten Nachtlager, und heute in aller Frühe gings wieder heimwärts, nach der Garnison Chemnitz.