05. Dezember 1911
Vergangene Nacht in der 1. Stunde war im Kohleschuppen der Firma Robert Meisch, wahrscheinlich infolge Selbstentzündung durch die Dampfpresse, Feuer ausgebrochen, das zum Glück noch so rechtzeitig bemerkt wurde, daß der Brand mit der eigenen, trefflich funktionierenden Feuerlöscheinrichtung der Firma noch im Entstehen gelöscht werden konnte.
Der Bildhauer und Steinmetzgeschäftsinhaber Otto Riedel von hier, der – wie wir berichteteten – vorige Woche auf der Straße von Hohndorf nach Oberlungwitz durch Sturz vom Rade schwer verunglückte, ist gestern seinen Verletzungen erlegen. Er hinterlässt eine Witwe mit drei noch unerzogenen Kindern.
06. Dezember 1911
Das Totenglöcklein klingt für die Gewerkschaft „Lampertus“. Vor einigen Wochen konnte das „Tageblatt“ berichten, daß eine Gewerkenversammlung Beschluß fassen sollte über das fernere Schicksal des Unternehmens; diese Versammlung verlief ergebnislos, weil außer einem Vertreter keine Gewerken erschienen waren. Die gestern Montag im Huthause abgehaltene Versammlung war nun zur endgültigen Beschlussfassung ermächtigt. Anwesend waren außer dem Verwalter Herrn Illgen die Herren Justizrat Tetzner als Vertreter der Frau Tetzner-Gera, Herr Alfred Fritzsche-Aue als Beauftragter der Firma Schultze & Fritzsche und für seine Person, sowie als Vertreter der Stadtgemeinde Hohenstein-Ernstthal Herr Bürgermeister Dr. Patz. Einstimmig wurde beschlossen, das Bergbaurecht der Gewerkschaft „Lampertus“ aufzugeben. Die Gewerkschaft in der Gestalt, wie sie gestern sozusagen zu Grabe getragen wurde, besteht seit dem Jahre 1895, und in der Zeit von damals bis heute ist keinerlei Ausbeute zu verzeichnen gewesen – kein Wunder daher, daß die Gewerken der fortwährenden Zubußen einmal überdrüssig wurden. „Lampertus“ hatte in früherer Zeiten eine nach damaligen Verhältnissen befriedigende, ja vielleicht auch eine reiche Ausbeute – der Ertrag war aber kein dauernder. Verschiedentlich hat der derzeitige Verwalter der Gewerkschaft, Herr Illgen, Anregungen gegeben, den Schacht noch einmal zu prüfen – umsonst. Die Beteiligten konnten es nicht über sich gewinnen, auf ein Ungewisses hin noch einmal ein kapital daranzuwenden, das vielleicht doch von vornherein als verloren anzusehen war, und so unterblieb eine eingehende Untersuchung des Schachtes. So wird nun über kurz oder lang mit dem nunmehr beschlossenen Einstellen des eigentlich schon lange ruhenden Betriebes auf dem Lampertusschacht der letzte Rest des einst in so hoher Blüte stehenden Erzbergbaues am Pfaffenberge dahinschwinden. Zwar kann heute eigentlich von einem endgültigen Beschluß noch nicht gesprochen werden; die Angelegenheit hat erst einen gewissen Instanzenzug zu durchlaufen: Herr Verwalter Illgen hat das Ergebnis der gestrigen Versammlung an das Bergamt Freiberg zu berichten, dieses muß sich dann mit dem Kgl. Ministerium ins Einvernehmen setzen – aber zu ändern dürfte an dem Schicksal des Schachtes nichts mehr sein. Die nächste Folge wird sein, daß das Unternehmen, von dessen einstigen Blühen noch heute die zahlreichen Halden auf dem Pfaffenberge zeugen, zur Zwangsversteigerung gelangt. Das steht zwar heute noch nicht so unwiderruflich fest, einen anderen Weg gibt’s aber nach Lage der Verhältnisse nicht. Schon am 7. November fand in dieser Angelegenheit eine Beratung im hiesigen Rathause statt, an der auch Vertreter des Bergamts in Freiberg teilnahmen; hierbei beschäftigte man sich in der Hauptsache mit der Frage des Bergbaurechts und des Bergreservats, es handelte sich also um eine Vorbesprechung für die gestrige Gewerkenversammlung.
09. Dezember 1911
Eine recht gefährliche Unsitte macht sich schon seit längerer Zeit an der Bahnunterführung, die nach der Schützenstraße führt, bemerkbar. Man kann dort vielfach die Wahrnehmung machen, daß an den abschüssigen Zufahrtsstellen von beiden Straßenseiten aus sehr schnell mit Hand- und Kinderwagen nach dem Tunnel kommenden Personen bei dem Verkehr in die Gefahr des Ueberfahrenwerdens kommen. Letzteres ist schon öfters passiert, erst in den letzten Tagen wurde wieder eine ältere Frau, die mit einem Tragkorb durch den Tunnel ging, von einem jungen Mann, der mit einem Handwagen schnell bergab fuhr, umgerissen. Zum Glück hat die Frau keine Verletzungen erlitten, sodaß sie, nachdem sie sich vom Schreck etwas erholt hatte, weiter gehen konnte.
Die hiesige Kunst- und Verlagsanstalt E. M. Seidel hat eine sehr hübsche Neujahrskarte – einfarbig und auch bunt – herausgegeben, die in vollendeter Weise eine Schneelandschaft widergibt, und zwar den anziehenden Punkt unseres Marktes: Zierbrunnen und oberer Altmarkt.
Die Baulichkeiten, die für den Depotplatz der elektrischen Bahn geplant sind, bestehen aus einem Wohn- und Verwaltungsgebäude und einer Wagenhalle. Der Depot-Platz befindet sich bekanntlich an der Goldbachstraße südlich vom Sägewerk des Herrn Stadtrat Beck und gegenüber dem Gimpelschen Neubau. Im Vordergrund des Platzes, ganz wenig von der Straße entfernt und mit der Hausfront nach dieser gerichtetfindet die Wagenhalle ihren Platz. Sie ist 41 Mtr. lang und 22 Meter tief geplant. In der östlichen Tiefenverlängerung wird die Reparaturwerkstatt mit einer Länge von 26 Metern und einer Tiefe von 12 Metern so angebaut, daß das Ganze an dieser Seite mit einer Gesamttiefe oder Breite von 34 Metern erscheint. Von der Bahnstrecke aus zweigt zunächst ein Gleis in seiner Verlängerung nach und nach sechs weitere Gleise, die gleichlaufend zueinander in die Wagenhalle führen. Diese kann 24 Wagen aufnehmen. In der Reparaturwerkstatt finden Maschinen für Schmiede, Tischler usw. Aufstellung und es werden Aufenthaltsräume für das Personal eingebaut. Ein siebentes Gleis führt in diese Werkstatt, ein achtes auf den Platz hinter der Halle. Das Verwaltungsgebäude wird im Hintergrunde, von der Straße aus rechts gesehen, errichtet werden. Es ist ein zweistöckiger Bau mit einem schlichten jedoch ganz hübschen Aeußeren. Das ganze Gebäude ist 15×12 Meter groß. Im Erdgeschoß finden die Geschäftszimmer und eine Beamtenwohnung, im Obergeschoß die Wohnung für den Direktor ihren Platz. Die ganze Anlage wird entsprechend ihrem Zweck eine ziemlich umfangreiche werden und der gesamten Umgebung zur Belebung verhelfen und zur Zierde gereichen.
17. Dezember 1911
Ein Stück Weihnachtspoesie stellt das Leben und Treiben dar, daß sich gelegentlich des Christmarktes entwickelt, der morgen und am Heiligen Abend im Herzen unserer Stadt abgehalten wird. Inmitten der Budenstadt, die gegenwärtig im Entstehen begriffen ist, entwickelt sich ein lebhaftes Kommen und Gehen. Verlangend schauen die Kleinen auf die in den Buden ausgebreiteten vielen schönen Sachen, auf das so viel begehrte Spielzeug. Die Mütter suchen Püppchen für die kleinen Mädchen aus, mit gewichtigeren Sachen beladen, macht sich der Vater auf den Heimweg, um in wohlgehütetem Versteck die Geschenke zu verstauen…Der morgige 3. Adventssonntag soll nun unsern Geschäftsleuten den Haupterntetag bringen. Wer von den Bewohnern unserer Nachbarorte sich nun nicht dazugehalten und beizeiten eingekauft hat, wird morgen sicher über das Wetter murren, denn der Regen hat die Straßen aufgeweicht, die Wege sind nicht mehr so angenehm passierbar als an vergangenen Sonntagen.
19. Dezember 1911
In einem Geschäft in der Weinkellerstraße stahl gestern nachmittag eine in den mittleren Jahren stehende Frau, in deren Begleitung sich ein Knabe befand, mehrere Gegenstände, darunter eine kleine Dampfmaschine. Trotz des Gedränges im Laden war aber die Frau beobachtet und der Ladeninhaber darauf aufmerksam gemacht worden. Natürlich hatte sich die Frau mit den gestohlenen Sachen schleunigst aus dem Staube gemacht, wurde aber vom Geschäftsinhaber und einer Verkäuferin eingeholt und zurückgebracht. Von einer Anzeige sah der Geschäftsmann ab, da die Frau die Gegenstände dann bezahlte.