01. Dezember 1912
Einen empfindlichen Schaden erlitt gestern abend ein auf der Aktienstraße wohnender älterer verheirateter Hausweber, der für eine Lichtensteiner Webfirma arbeitet. Er hatte im Inneren seines Webstuhles eine Arbeit zu verrichten, wobei er mit der Petroleumlampe an das Jacquardmuster kam und dieses Feuer fing, das so schnell um sich griff, daß binnen kurzer Zeit der ganze innere Webstuhl ausbrannte.
02. Dezember 1912
In der Nacht zum Sonntag bald nach Mitternacht meldeten Hornsignale von der Bahnstellerei an der Goldbachstraße den Ausbruch eines Feuers, und wer zu dieser Zeit gerade unterwegs war oder durch diese Signale geweckt ward, sah bald den ganzen Himmel intesiö gerötet. Es brannte die oberhalb des Altstädter Friedhofes gelegene neue Scheune des Herrn Oekonom Max Leuschner, Karlstraße. Das Feuer brach an der östlichen Seite aus, an der sich die Eingänge befinden. Die Tatsache, daß eine Tür erbrochen aufgefunden ward, legt den Verdacht der Brandstiftung nahe. Herr Leuschner selbst ist am Sonnabend mittag das letzte Mal in der Scheune gewesen und hat nichts Verdächtiges bemerkt. Verbrannt sind gegen 60 Schock Hafer, 70 Schock Korn (unausgedroschen), 30 Zentner Heu, 18 Sack Hafer, eine Dresch- und eine Häckselmaschine und verschiedenes landwirtschaftliche Gerät. Es ist bereits das dritte Mal, daß Herr Leuschner von einem Scheunebrand heimgesucht wird. Trotzdem er versichert hatte, ist sein Schaden doch immerhin ein bedeutender. Unsrer Feuerwehr bot sich wenig Gelegenheit zum Eingreifen, da nichts mehr zu retten war, als der Brand bemerkt wurde. Die Wehr war nach Beendigung ihrer Versammlung noch zu einem großen Teil im „Ratskeller“ und im „Braunen Roß“ beisammen und begab sich sofort zum Brandplatze. Von einem allgemeinen Feueralarm wurde aus diesem Grunde und weil andere Gebäude ja auch nicht gefährdet waren, abgesehen, dennoch aber konnte sichs ein Signalist nicht verkneifen, kräftig in sein Horn zu stoßen; er erreichte damit allerdings nur, daß ein Teil der Einwohnerschaft völlig grundlos beunruhigt wurde. Mit unwilligen Zurufen wurde der Hornist denn auch auf das völlig Unzweckmäßige seines Tuns aufmerksam gemacht wurde.
03. Dezember 1912
Noch gut abgelaufen ist ein Vorgang, der sich vorige Woche in einer Familie auf der König Albertstraße*1 abspielte. Der ältere 16 Jahre alte Sohn war mit seiner 12jährigen Schwester in Streit geraten. Letzterer artete so weit aus, daß der junge Mann ein Messer nahm und dasselbe nach dem Mädchen schleuderte. Unglücklicherweise traf das Messer den Kopf des Kindes, eine tiefe Wunde an der Schädeldecke zurücklassend.
Einem Zechpreller fiel vorigen Freitag ein Altstädter Gastwirt in die Hände. Bei demselben erschien ein junger, elegant gekleideter Herr. Er hielt sich längere Zeit im Lokal auf, aß zweimal und trank auch einige Glas Bier dazu. Unterdessen ging der Wirt zu einer geschäftlichen Versorgung aus dem Hause, und dies hatte der Gast bemerkt. Als auch die Wirtin für kurze Zeit nach der Küche ging, entfernte sich der junge Mann ohne Bezahlung der Zeche und unter Zurücklassung eines Hutes. Der Schwindler dürfte im Besitze einer zweiten Kopfbedeckung gewesen sein.
07. Dezember 1912
Das Kunzegäßchen hat durch die Zaunanlage des angrenzenden Claußschen Besitzes in seinem östlichen Teil eine wesentliche Verbreiterung und Verschönerung erfahren. Heute schon ist zu ersehen, daß das heißumstrittene Gäßchen, wenn es erst einmal auf der anderen Seite ausgebaut worden ist, sicher nichts unschönes darstellen wird. Im Gegenteil wird es ein ideeller Verbindungsweg mit Gartencharakter sein, der noch mehr gewinnen wird, wenn die alten Bäume im Kunzeschen Grundstück möglichst erhalten werden, was nicht stören würde, selbst wenn der eine oder andere etwas in den Weg hineintragen würde.
15. Dezember 1912
Der im hiesigen Bahnhofe beamtete Bodenmeister, Herr Oehmig, kehrte von einem gestern abend unternommenen Gange nach dem Stadtinnern nicht wieder nach dem Bahnhofe – in dessen Hauptgebäude er auch wohnt – zurück. Aus heute früh aufgefundenen Briefen Oehmigs geht seine Absicht, sich ein Leid anzutun, unverkennbar hervor, was nur auf vorher nicht bemerkter geistiger Störung des Vermißten beruhen kann, da nach unseren Erkundungen weder dienstliche noch private Umstände vorliegen, die den von seinen Vorgesetzen als besonders treuen, diensteifrigen und zuverlässigen Beamten geschätzten Mann zu einem so bedauerlichen Schritte verleiten konnten. Wahrnehmungen über den Verbleib Oehmigs wolle man ungesäumt einer polizei- oder Eisenbahndienststelle bekannt geben.
17. Dezember 1912
Was befürchtet wurde, ist eingetreten: am gestrigen Sonntag nachmittag fanden Kinder in Abteilung 35 des fürstlichen Forstreviers Oberwald unweit von Reichenbach den seit Sonnabend Nacht vermißten Bodenmeister Herrn Oehmig erhängt auf. Was den pflichttreuen, alten Beamten, der bei seinen Vorgesetzten wie Untergebenen und dem Publikum, mit dem er dienstlich wie außerdienstlich in Berührung kam, gleich wohlgelitten war, in den Tod geführt, ist ein vollkommenes Rätsel. Man kann nur annehmen, daß eine augenblickliche geistige Störung in ihm den unheilwollen Entschluß hat reifen lassen.
18. Dezember 1912
Eine recht mysteriöse Angelegenheit spielte sich gestern nachmittag gegen 2 Uhr auf der Lungwitzer Höhe, oberhalb der hiesigen Gasanstalt, ab. Zwei gut gekleidete Männer verfolgten von hiesiger Stadt aus einen anderen Mann, der in der Richtung nach Oberlungwitz floh, wobei auch die ersteren zwei Schüsse nach dem Flüchtling abgaben. Ob es Schreckschüsse oder scharfe Schüsse waren, konnten die Bewohner an der Schützen- und Schönburgstraße*2, die den Vorgang beobachteten nicht ermitteln, da der Flüchtling nach Oberlungwitz verschwand. Leider konnten wir über die Angelegenheit nichts Genaueres erfahren.
22. Dezember 1912
Zum Direktor der Altstädter Schulen hat der Schulausschuß in seiner gestrigen Sitzung Herrn Schuldirektor Galster in Schedweitz bei Zwickau gewählt.
Die Bleicherei Hüttengrund ist heute aus dem Besitze der Frau verw. Koch in den der Herren Gebrüder Meißner, Söhne des Herrn Färbereibesitzer Arthur Meißner in Grüna, übergegangen.
31. Dezember 1912
Unsere Berganlagen sind durch einen weiteren schönen Weg, der ein bisher unerschlossenes Gebiet für die Spaziergänger eröffnet, bereichert worden. Er nimmt am Seidelbergweg zwischen den Gärten der neuen Karlstraßenhäuser und der Haugkschen Gärtnerei, durchläuft im Bogen das Rothersche Feld und nimmt, nachdem er am dort stehenden Unterstandshäuschen vorbeigeführt ist, den vom Silbergäßchen heraufkommenden und den durch die Buchen gehenden Weg auf, um am Ende unmittelbar am Fichtnerschen Besitz wieder in den Seidelbergweg einzumünden. Er wird sicher zu jeder Jahreszeit gern und viel von denen aufgesucht bzw. begangen werden, denen der Blick vom Unterstandshäuschen nach dem Altmarkt und seiner Umgebung und darüber hinaus nach dem fernen Hainholz ein gern genossener ist.
*1 König Albertsraße = heute Conrad-Clauß-Straße
*2 Schönburgstraße = heute August-Bebel-Straße