7. Februar 1913
Gestern wurde durch die Stadt an der Stra0e am Bahnhofe zwischen dem Preußlerschen Grundstück und dem Hotel „Schweizerhaus“ eine größere Gaslaterne aufgestellt, die mit einer 600kerzigen Niederdrucklampe versehen wurde. Die Lampe verbreitet ein intensives Licht, was im Interesse des regen Verkehrs, der besonders in den Abendstunden am Bahnhofe herrscht, nur zu begrüßen ist.
Man sollte es nicht für möglich halten, was alles gestohlen wird – den Spitzbuben ist doch nichts mehr heilig! Am Sonnabend abend verbreitete die in etwa vier Meter Höhe vor dem Hohenstein-Ernstthaler Warenhause am Teichplatz angebrachte große Osramlampe noch weithin leuchtende Helligkeit und am Montag morgen „glänzte sie durch Abwesenheit“! Ein Dieb, über dessen Persönlichkeit man bisher noch nichts weiß, hat sie herausgeschraubt und mitgenommen, um sie jedenfalls irgendwo zu Gelde zu machen. Zu diesem raffinierten Diebstahl hat er sich einer Leiter bedient, wobei er die Firmentafel aus Glas zerbrach. Die Lampe hatte einen Wert von 30 Mark. Es ist fast nicht gut möglich, daß der Diebstahl so ganz unbemerkt vor sich gehen konnte; es werden alle, die irgendwelche Wahrnehmungen gemacht haben, gebeten, diese der Geschäftsleitung des Warenhauses oder der Polizei mitzuteilen.
9. Februar 1913
Ein bedauerlicher Unglücksfall trug sich am Freitag nachmittag gegen 5 Uhr in der Neustadt zu. Der dort beschäftigte, auf der Oststraße wohnende 28 Jahre alte verheiratete Arbeiter Herrmann Goldschadt, genannt Wolf, hantierte an einem in der Höhe angebrachten Wasserbassin, um das Ventil etwas aufzudrehen. Dabei kam er der Transmission zu nahe, wurde an den Kleidern erfaßt und mehrere Male herumgeschleudert, wobei er an die Wand schlug. Im ersten Augenblick war der Unglücksfall infolge des starken Wasserdampfes, der im Arbeitsraum entstand, nicht bemerkt worden, sodaß man erst beim Aufschlagen des Körpers darauf aufmerksam wurde und die Transmission abstellte. Einige Arbeiter mußten dann den fast leblosen Körper aus der Höhe herunter holen. Der sofort erschienene Arzt Herr Dr. Lange stellte schwere Verletzungen bei Goldschadt fest, so u.a. eine Gehirnerschütterung. Man brachte den Bedauernswerten noch in den zeitigen Abendstunden ins Zwickauer Kreiskrankenstift. Sein Zustand ist besorgniserregend.
11. Februar 1913
Eine kleine Bierreise unternahm am Sonnabend abend ein 18jähriger junger Mann aus Oberlungwitz durch hiesige Stadt. Er fand vielen Gefallen an der tschechischen Sprache und bediente sich derselben in einem hiesigen Restaurant, fand aber bei dem Wirt und den anderen anwesenden Gästen nicht viel Gegenliebe. Da er schließlich noch in flegelhafter Weise auftrat, beförderte man ihn an die frische Luft. Später drohte er, mit einem in der Hand gehaltenen Messer die Leute niederzustechen, und trieb den Radau noch vor dem Restaurant weiter. Kurze Zeit darauf geriet er in der mittleren Stadt mit einigen jungen Männern zusammen, die ihm eine Tracht Prügel verabreichen. Danach besaß er noch die Frechheit, auf der Altstädter Wache Anzeige zu erstatten. Dort wurde aber der Spieß ungedreht und sein Verhalten kam zur Kenntnis, sodaß er zur Anzeige gelangte.
12. Februar 1913
Mit welcher Dreistigkeit oft Kinder vorgehen, zeigt ein gestern hier vorgekommener Fall. Von einem in der mittleren Stadt stehenden Automobil, das für kurze Zeit unbeaufsichtigt dastand, stahlen die Knaben die Signalhupe. Nach längerem Bemühen gelang es dem Führer des Kraftwagens, das gestohlene Gut wieder zu erhalten.
Seitens verschiedener Bewohner des Hüttengrundes ist es beabsichtigt, für industrielle und gewerbliche Zwecke elektrische Kraft dort einzuführen; man hat auch bereits Schritte hierzu mit dem Elektrizitätswerk Oberlungwitz angebahnt.
13. Februar 1913
Die Stadtverordneten beschlossen gestern u.a. eine Stundenvermehrung an der Web- und Wirkschule, den teilweisen Abbruch der Berggebäude von Lampertus und die Instandsetzung des Huthauses zu Wohnzwecken.
An die Einwohnerschaft unserer Stadt ergeht die Bitte – siehe amtlichen Teil -, die gelegentlich der Eröffnung der elektrischen Ueberlandbahn von den Festteilnehmern berührten Straßen durch Beflaggung der Häuser zu schmücken.
18. Februar 1913
Die festliche Weihe der elektrischen Straßenbahn Hohenstein-Ernstthal-Gersdorf-Lugau-Oelsnitz i.E.
Verraucht sind die festlichen Stunden, die am Sonnabend der Weihe unseres neuen, vom Geiste der Zeit getragenen Verkehrsmittels galten, verklungen Wort und Sang, mit denen die neue Verbindung zwischen unserer Stadt und den südlichen Nachbargemeinden begrüßt wurde, und der getreue Chronist hat heute nur noch als Ergebnis des Tages zu buchen, daß von unserer Gegend seit langem kaum ein stimmungsvolleres, von der Anteilnahme Tausender froher Menschen getragenes und ohne jeden Mißton und Unfall verlaufenes Fest gefeiert worden ist, als eben die sonnabendliche Weihe der Straßenbahn. Von ihrer Notwendigkeit mußte jeder überzeugt werden, wenn er sah, wie herzlich die Eröffnungsfahrt von allen Bewohnern der berührten Orte begrüßt wurde, aus wie freudigem Herzen die Huldigungen kamen, die den ersten Wagen entgegen gebracht wurden, wenn er aus dem Munde von jung und alt vernahm, wie froh man allerorten sei, daß endlich die vielberufene Bahn eine Verbindung vermitteln würde, die, seit Jahrzehnten als Notwendigkeit empfunden, doch Jahre brauchte, ehe sie zur Verwirklichung gebracht werden konnte. Vom heutigen Montag ab verkehren die neuen, prächtigen und, was für die Jetztzeit besonders zu bemerken ist, gut erwärmten Wagen nach einem Fahrplan, der vorläufig wenigstens dem Bedürfnis voll entsprechen dürfte. Niemand wird mehr über schlechte oder gar mangelnde Verbindung klagen können, und das Scherflein, das jedem für die Beförderung abverlangt wird, ist so gering, das es auch ein Armer erschwingen kann. Die Furcht vor Finsternis und Schmutz ist geschwunden; im tageshell erleuchteten Wagen merkt man nichts von dem, was man sonst als übel empfinden würde; die alten Omnibusse werden verkauft und die wackeren Rosse, die treu ihre Aufgabe erfüllten, verkautioniert… Das Alte stürzt, es ändert sich die Zeit und neues Leben blüht aus den Ruinen!
27. Februar 1913
Ein schwerer Unfall, der eigenem Verschulden zugeschrieben werden muß, trug sich gestern gegen Abend in den Steinbrüchen unterhalb der Schrebergärten zu. Der 12jährige Knabe F., auf dem Neumarkte wohnhaft, vergnügte sich mit mehreren Altersgenossen an genannter Stelle damit, an den Wänden und steilen steinigen Hängen zu klettern und zu tollen. Dabei stürzte er ab und zog sich außer ziemlich umfangreichen Kopfverletzungen einen Bruch der beiden linken Unterarmknochen zu. Ein Samariter leistete die erste Hilfe und brachte den Verletzten zum Arzt, der sofort einen Verband anlegen konnte. Ob innere Verletzungen vorhanden waren, konnte augenblicklich nicht festgestellt werden. So betrübend dergleichen Fälle an sich sind, so ist doch nicht zu unterlassen, das Beginnen der Jungen in unseren Anlagen aufs schärfste zu tadeln. Fast ist man versucht zu sagen: „Wer nicht hören will, muß fühlen“.