01. Januar 1910
So treten wir nun heute ein in ein neues Jahr, nachdem wir abgeschlossen haben mit dem alten. Und alle Welt beglückwünscht sich, reicht sich die Hand, und durch die Seele zieht dann die Rührung und die Ergriffenheit. Wir wünschen voller Innigkeit allen, die uns nahe stehen, alles Glück. Auch das geschriebene Wort trägt den Gruß, den Wunsch des liebenden Herzens weiter – das ist ein schöner Brauch. Die Wendestunde soll uns mit hoffnungsfrohen und doch erhebungsvollen Gedanken der Bescheidenheit erfüllen, die gegenseitige Liebe und Achtung soll unsere Wünsche verinnerlichen…Ein lächelnd „Lebewohl!“ dem alten Jahre – ein freudig munteres „Vivat, crescat, floreat!“ dem jungen Chronos-Sohne 1910! In diesem Sinne auch allen unseren Lesern ein „Fröhliches Neujahr!“.
Das am Bahnhof gelegene Hotel „Schweizerhaus“ geht demnächst in Besitz des Herrn Freitag aus Aue i. Erzg. über. Derselbe übernimmt die Bewirtschaftung bereits in der ersten Hälfte des Januar. Weiter geht die Bewirtschaftung des an der Badstraße gelegenen Gasthauses „Goldene Höhe“ in der nächsten Zeit in andere Hände über, und zwar pachtweise an Herrn Expedient Freitag von hier.
04. Januar 1910
Daß dem Rodelsport hier nicht mehr so fleißig gehuldigt wird, kann man diesen Winter beobachten. Auf der im Goldbachgrund gelegenen, dem hiesigen Rodelklub gehörigen Fahrbahn war in den letzten Tagen, trotzdem die Bahn vorzüglich zum Fahren war, nur wenig Verkehr zu verzeichnen. Es ist bedauerlich, daß dem hiesigen Rodelklub, der die Bahn mit hohen Kosten unterhält und dem Publikum gegen eine kleine Vergütung stellt, nicht mehr Unterstützung zu teil wird.
06. Januar 1910
Das Wrack eines Wirtschaftswagens zierte heute morgen die Moltkestraße an ihrer Einmündung in die Bismarckstraße. Jedenfalls war es Altersschwäche, die dem linken Hinterrad des Wagens Veranlassung gegeben hatte, sich auf die Seite zu neigen und den beladenen Wagen gleichfalls hinsinken zu lassen.
08. Januar 1910
Gestern nachmittag kurz nach 2 Uhr ertönten Feuersignale in die sonntägliche Stille. Es brannte die oberhalb der Friedhofsstraße stehende neuerbaute Scheune des Herrn Oekonomen Leuschner bis auf die Grundmauern nieder. In der Scheune befanden sich ziemliche Vorräte an Getreide, Stroh und Heu, die sämtlich den Flammen zum Opfer fielen. Die Feuerwehr musste sich, da in der Nähe gefährdete Objekte nicht standen, nur auf ein Beobachten des Brandes beschränken, zumal von der Scheune nichts zu retten war. Ueber die Entstehung des Feuers wird sich Bestimmtes kaum ermitteln lassen. Während von der einen Seite Kurzschluß der elektrischen Leitung vermutet wird, erscheint auf der anderen Seite Brandstiftung nicht ausgeschlossen. Letztere Vermutung gründet sich darauf, daß die Scheune binnen wenigen Jahren das dritte mal von den Flammen verzehrt wurde. Nach dem letzten Brande war sie erst diesen Sommer wieder aufgebaut worden, um nunmehr wiederum in Feuer aufzugehen. Leider hat Herr Leuschner nicht versichert, sodaß ihn ein empfindlicher Schaden trifft.
19. Januar 1910
Das städtische Ehrendiplom für Treue in der Arbeit wurde vom Stadtrate verliehen: Herrn Werkführer Karl Hermann Viehweg, Hüttengrund Nr. B9, der 27 Jahre in dem Betriebe der Firma Redslob & Söhne tätig ist, der Besetzerin Frau Anna Marie Erler, Waisenhausstraße 13, die 25 Jahre für dasselbe Geschäft arbeitet, und dem Weber Herrn Erdmann Bruno Scheibe, Altmarkt 36, der seit 25 Jahren der Firma Gebr. Säuberlich die Treue bewahrt hat. Heute Vormittag erschien Herr Bürgermeister Dr. Patz in den genannten Fabrikbetrieben und überreichte in Gegenwart der Herren Firmeninhaber, soweit sie ortsanwesend sind, den beiden Jubilaren und der Jubilarin unter den Glückwünschen der Stadtverwaltung die für sie bestimmten Ehrenurkunden.
26. Januar 1910
Der gestrige Maskenball in der „Hüttenmühle“ – darstellend „Eine Nacht im Walde“ – war sehr zahlreich besucht; an Masken mochten etwas 40 anwesend sein. Die von Herrn Dekorateur Meyer ausgeführte Ausschmückung des Festsaales kam sehr vorteilhaft zur Geltung. Bei der Preisverteilung gingen folgende Masken als beste hervor: „Griechischer Krieger“, „Milchgeschirr“, „Tannenbaum“, „Stierkämpfer“ und zwei Clowns. Nach der Demaskierung trat der Tanz in seine Rechte, dem bis in die frühen Morgenstunden fleißig zugesprochen wurde.
27. Januar 1910
Der Zierbrunnen für den Garten unseres Naturheilvereins geht in kurzer Zeit seiner Vollendung entgegen, nachdem fleißige Bildhauerbände hiesiger Stadt seit Wochen an der Herstellung schaffen. Der Brunnen soll bekanntlich aus Anlaß des 25jährigen Bestehens des Vereins in diesem Jahre ausgestellt werden. Er wird 2,40 m hoch und 2,20 m breit. Als Material ist Sandstein verwandt worden. Nach dem Aussehen der einzelnen Teile wird der Brunnen ein recht gefälliges Äußeres erhalten. Außer Blumenornamenten und sonstigen einfachen Schmuck sind es ein wasserspeiender Löwenkopf und zwei die Wasserheilkunde verkörpernde Kindergestalten, welche seinen figürlichen Hauptschmuck bilden. Daß der Naturheilverein weniger durch ein kostspieliges Fest, als vielmehr durch Schaffung eines Schmuckstückes sein 25jähriges Jubiläum begehen will, ist überaus lobenswert. Durch diese Schöpfung erhält unsere Stadt bezw. Ihre Umgebung, die leider bisher etwas ähnliches nicht aufweist, im laufenden Jahre gleich zwei solcher Brunnen, da wie bekannt, auch der städtische Zierbrunnen auf dem Altmarkt aus Anlaß des 400jährigen Stadtjubiläums fertiggestellt wird.
29. Januar 1910
Ein höchst dreister Diebstahl wurde heute früh zwischen 6 und 7 Uhr auf der Hohestraße beim Milchhändler Günther ausgeführt., indem ihm aus dem Erdgeschoß, wo er seine Niederlage für die Wagen hat, ein Handleiterwagen verdachtlos gestohlen wurde. Die auf dem Wagen stehenden zwei großen Milchbehälter hatte der Dieb in der Niederlage zurückgelassen und auf den Erdboden gestellt. Günther ist gegen 6 Uhr in der Niederlage gewesen, um den großen Pferdewagen zu holen, hat auch das Tor wieder zugemacht, aber nicht verschlossen, und diesen Umstand hat der Langfinger, der vermutlich mit den Verhältnissen vertraut ist, benutzt.