Interessante Hohenstein-Ernstthaler Architektur
von Henry Kreul
Der neue Kalender des Geschichtsvereins wirft diesmal einige etwas andere Streiflichter auf geschichtliche Entwicklungen und Zusammenhänge.
Wenn man aus Lugau kommend die B180 in Richtung Hohenstein-Ernstthal fährt, grüßt schon von weitem das Berggasthaus vom Pfaffenberg herüber. Vor 110 Jahren wurde es vom Erzgebirgszweigverein Hohenstein-Ernstthal errichtet. In gewisser Weise schlägt dieses Gebäude eine Brücke von früherem bürgerlichem Engagement aus Heimatverbundenheit zur heutigen Weltkulturerbe Montanregion Erzgebirge/Krušnohoří. Auf dem weiteren Weg durch Oberlungwitz passiert man die Gebäude der ehemaligen Firma Robert Götze (ROGO), die daran erinnern, welche Bedeutung westsächsische Städte einst in der Strumpfwirkerei, Weberei, Handschuhstrickerei und weiteren Zweigen der Textil- und Bekleidungsindustrie hatten. Das Selbstverständnis dieser Zeit mag das Bemühen, den gegenüberliegenden Kirchturm an Höhe zu überragen, illustrieren. Begibt man sich nach Überwindung der Lungwitzer Höhe auf einen in Serpentinen durch Hohenstein-Ernstthal geführten Weg, findet man zunächst linker Hand den Standort des ehemaligen Gaswerkes, das zur Zeit seiner Errichtung eine absolut innovative Technologie verkörperte, mit der es möglich wurde, nachts die Straßen zu beleuchten und den Feierabend zu Hause und natürlich auch die Heimarbeit bis weit in die Dunkelheit auszudehnen. Anfangs wurde dieses Gas von Teilen der Bevölkerung dennoch als krankheitserregendes Teufelswerk abgelehnt.
Am Bahnhof weckt der Gedanke an den früheren Zeitungskiosk Erinnerungen an die immerwährende Jagd nach in der DDR raren Druckerzeugnissen. Der Schubertstraße folgend erreicht man das ehemalige Kaiserliche Postamt, noch heute durch seine, wenn auch langsam vergehende, prächtige Fassade auffallend. Die ursprünglich elementare Funktion dieser Einrichtung ist der heutigen Generation WhatsApp nur noch schwerlich zu vermitteln. Weiter östlich wandernd trifft man in der Karl-May-Straße auf den sich momentan am gravierendsten verändernden Gebäudekomplex in Hohenstein-Ernstthal um das Karl-May-Geburtshaus, der der Bewahrung und Vermittlung des Erbes des Autors und Phantasten verpflichtet ist. Die dazugehörige Begegnungsstätte („International Heritage Center“) wird seit Jahren durch die Beherbergung von Arbeits-, Archiv- und Sonderausstellungsräume entlastend genutzt.
Für eine erfolgreiche Transformation nach Beendigung der industriellen Epoche in eine lebendige Nachnutzung steht die ehemalige Firma Herbert Reichel, später VEB Malitex Hohenstein-Ernstthal, deren Gebäude jetzt mit dem Kaufland einen florierenden und auch aus dem Umland Kunden anziehenden Einkaufsmarkt beherbergt. In unmittelbarer Nähe befindet sich mit der auch „1856er“ genannten Turnhalle an der Oststraße ein noch heute imposanter Bau, der umso mehr erstaunt, wenn man bedenkt, dass sich 1900 Ernstthaler Turner dieses Gebäude selbst gönnten, anhand dessen Existenz man weit in die Ursprünge der Turnbewegung und ihre Weiterentwicklung blicken kann.
Nicht unerwähnt bleiben sollen das alte Rathaus und die Hohensteiner Friedhofskapelle, die beide Elemente der kommunalen und sozialen Geschichte der Stadt darstellen. Einen Exoten finden wir dann beim Gang über den Pfaffenberg in der Blockhütte der Westernranch, die auf eine über 50-jährige Beschäftigung im Ort mit den Lebenswelten Nordamerikas verweist.
Wenn man über Architektur in Hohenstein-Ernstthal und Umgebung spricht, gehören natürlich auch ihre Architekten dazu. Darunter sind vertraute Namen wie Louis Richter und Ulrich Kummer, aber auch lokal weniger bekannte, dafür überregional bedeutsame wie Erich Basarke, Alfred Liebig und Friedrich Wagner-Poltrock sind hier noch zu nennen.
Die erwähnten Bauwerke und Themen sind Gegenstand des neuen Kalenders des Geschichtsvereins Hohenstein-Ernstthal e.V. für 2021. Erhältlich ist dieser, solange offen, in der Stadtinformation Hohenstein-Ernstthal, ansonsten gern unter karl-may-haus@hohenstein-ernstthal.de oder telefonisch unter 03723/42159.