01. März 1912
Für den Stadtteil Hüttengrund ist die Gründung eines neuen Turnvereins geplant, der sich voraussichtlich dem Deutschen Arbeiterturnerbund anschließen dürfte. Dieser Tage fand im Etablissement „Hüttenmühle“ eine Besprechung statt und wurde die Gründung im Prinzip beschlossen und die weiteren Vorarbeiten einer gewählten Kommission übertragen. Dem neuen Verein, der seinen Sitz in der „Hüttenmühle“ nehmen wird, traten bereits gegen 40 Personen bei.
03. März 1912
Herrn Strumpfwirker Friedrich August Degenhardt, Bismarckstraße* 53, der seit über 30 Jahren ununterbrochen im Betriebe der Firma Aug. Clauß tätig ist, wurde vom Königlichen Ministerium des Innern das tragbare Ehrenzeichen für Treue in der Arbeit verliehen. Im Beisein des Herrn Karl Vetter, Mitinhaber der gen. Firma, wurde die Auszeichnung Herrn Degenhardt heute mittag im Rathause durch Herrn Bürgermeister Dr. Patz unter Glückwünschen ausgehändigt.
06. März 1912
Trotzdem in der Presse wiederholt vor betrügerischen Händlern gewarnt wird, machen dieselben noch mitunter recht hübsche Geschäfte und das Publikum fällt, trotz aller Warnungen, gewissenslosen Handelsleuten zum Opfer. Dieser Tage machte ein junger kräftiger Mann, der mit Lilienmilchseife handelte, einige Straßen der Stadt unsicher. Er hatte sich zu seinem Gewerbe einen besonderen Trick zurechtgelegt. Er wollte Ausländer sein und hatte einen geschriebenen Zettel bei sich, daß er der deutschen Sprache nicht mächtig sei, gleichzeitig seine Lilienmilchseife, die einen besonderen Wert haben sollte, pro Stück mit nur 25 Pfg. Verkaufspreis anbietend. Um die Sache noch verlockender zu machen, waren die kleinen Stücken Seife in schön gedrucktem Papier eingewickelt, auf dem ein Verkaufspreis von 50 Pfg. verzeichnet war. Der „billige Ausnahmepreis“ zog und der junge Mann machte gute Geschäfte. Allerdings machten die Käufer später enttäuschte Gesichter, denn die teure Seife war gewöhnliche Sodaseife und hatte höchstens einen Wert von 5 Pfg.
08. März 1912
Ein bedauerlicher Unglücksfall trug sich am Dienstag nachmittag in einem an der Dresdnerstraße, unterhalb des Naturheilvereinsgrundstücks gelegenen Steinbruch zu. Dort belustigten sich mehrere 10-12jährige Knaben beim Spiel, als der 11 Jahre alte Sohn eines auf der Bergstraße wohnenden Postbeamten abstürzte und sich dabei einen schweren Bruch des rechten Unterarmes zuzog. Ein auf der Dresdnerstraße wohnender Samariter leitete dem bedauernswerten Knaben die erste Hilfe und brachte ihn dann zu einem Arzt.
13. März 1912
Die alte Linde auf der Lungwitzer Höhe hinter der städtischen Gasanstalt hat das Zeitliche gesegnet. Mit ihr ging eines jener Naturdenkmäler zu Grabe, die oft ihrer ganzen Umgebung das Gepräge geben, was hier ganz besonders der Fall war. Es ist schade um den Baum. Er war das letzte Zeichen längst vergangener Tage´. Ob es eine Kult- oder Richtstätte gewesen ist, lässt sich nicht feststellen, doch deutete der Standort des Baumes auf einsamer, das Lungwitztal beherrschenden Höhe und der einst vorhanden gewesene Weiher sicher auf dergleichen hin. Von ihrem ehrwürdigen Alter erzählte die Beschaffenheit der Linde. Der Stamm war von oben bis unten in zwei Teile gespalten, deren jeder für sich grünte und blühte. Der Spalt war so groß, daß eine Person bequem hindurchgehen konnte, wie dem überhaupt sich im Laufe der Jahre ein Fußweg gebildet hatte, der sozusagen durch den Baum führte. Was zur Beseitigung auch für Gründe vorgelegen haben mögen, bleibe dahingestellt, es steht nur das eine fest: dergleichen alte Zeugen früherer Jahrhunderte sollten mit mehr Liebe gehegt und erhalten werden. Wir tun uns heute soviel zugute auf unsere Fortschritte, wissen aber nicht, daß wir mit der Vernichtung dessen, was uns die Altvordern hin erließen, ein Stück unserer selbst, unseres Werdegangs, vernichten. Wie von denen, die die Linde einst pflanzten, wird auch von ihr bald keine Spur mehr vorhanden sein, da ist es umso besser, daß unser Stadtmuseum in der Lage ist, den Baum mehrfach im Bilde zu besitzen. Zwei Photographien und eine Zeichnung werden unsern Nachkommen wenigstens den Baum als solchen zeigen, wenn auch leider die Stimmung der engeren oder weiteren Umgebung nicht festzuhalten möglich war.
23. März 1912
Jetzt wirds mit der elektrischen Bahn kräftig Ernst. Schon regen sich fleißige Hände für die ersten Vorarbeiten und Herr Baumeister Richter beginnt bereits mit dem Bau der Verwaltungsgebäude und der Wagenhalle. Der Bau des Gleises wird zugleich von beiden Seiten in Angriff genommen und so gefördert werden, daß im Herbst mit der Fertigstellung der Bahn sicher zu rechnen ist. Wie wir weiter hören, soll morgen der offizielle erste Spatenstich zum Bahnbau erfolgen – eine Tatsache, die all den vielen Zweiflern, die damit rechneten, daß das Projekt überhaupt nicht zur Durchführung kommen würde, zur Beruhigung dienen mag.
26. März 1912
Heute Vormittag gegen 10 Uhr, als das von der Dresdner Straße herkommende Automobil des Fabrikanten Th. Lindner aus Wittgensdorf die Bismarckstraße entlang fuhr, sprang vor der Kreherschen Bäckerei das vierjährige Töchterchen des Härtmeisters Robert Kreul über die Straße und lief direkt in das Auto hinein. Nur dem Umstande, daß das Gefährt wegen des regen Verkehrs auf dem Wochenmarkte ein langsames Tempo einhielt und das Auto fast im Augenblick die Fahrt einstellen konnte, war es zu verdanken, daß dem Kinde kein schweres Unheil widerfuhr. Das Kind ward angefahren, erlitt nur eine Verletzung am linken Bein und zog sich beim hinfallen leichte Verletzungen im Gesicht zu; es ward sofort in ärztliche Behandlung gegeben. Polizeilicherseits ward festgestellt, daß den Fahrer, den Chauffeur M. F. Jahn aus Oberlungwitz, keinerlei Verschulden trifft.
27. März 1912
Zu einer Zeit, da Hilfe glücklicherweise am schnellsten zur Hand war, gegen 6 Uhr abends, brach gestern im Hause des Musterzeichners Karl Drescher in der Oststraße ein Feuer aus, und zwar im Dachstuhl, der auch ausbrannte. Die Feuerwehr war bald zur Stelle und ihrem Eingreifen war es zu verdanken, daß der Brand auf seinen Herd beschränkt werden konnte. Der Familie Reinhold ist verschiedenes Mobiliar verbrannt. Wie es heißt, ist die Ursache des Feuers darin zu suchen, daß in die Esse, die vom Waschhause nach dem Dache führt, ein Balken eingebaut war, der Feuer gefangen und schon lange Zeit vorher geglimmt haben mochte, bis das Hinzutreten von Luft die Flamme entfachte.