7. Mai 1914
Auf dem hiesigen Bahnhofe hatte sich gestern um die Mittagsstunde wieder vieles Publikum eingefunden, um den Transport des Brandstifters Rindel beizuwohnen. Da man vermutete, daß derselbe mit dem 1 Uhr-Zuge, der bekanntlich den Gefangenentransportwagen mit sich führt nach Zwickau überführt würde. Man ward aber, wie schon vorige Woche am Dienstag, enttäuscht. Rindel ist bereits vorigen Donnerstag nach Zwickau überführt worden. Wie wir hören, kann es möglich sein, daß Rindels Straftat bereits im Juni zur Verhandlung stehen wird.
15. Mai 1914
Während einer nur kurzen Abwesenheit des Besitzers entstand heute in der Schuhmacherwerkstatt des Herrn D. in der Dresdner Straße ein kleiner Brand, der bald mit Löschapparaten gedämpft werden konnte, ohne daß größerer Schaden angerichtet wurde. Man vermutet, daß der Brand durch einen eisernen Ofen verursacht worden ist.
19. Mai 1914
Unermüdlich ist die Leistung unsres Erzgebirgsvereins bestrebt, für eine originelle Ausgestaltung der Hutzenabende zu sorgen und ihnen immer wieder neue Anziehungskraft zu verleihen. Das ihr dies bisher in vollstem Maße gelungen ist, muß man ihr neidlos zugestehen, ihr aber auch dankbar sein für alles, was sie bislang geboten hat: stets war es ein Genuß, solchen Abenden beiwohnen zu dürfen. Und daß diese Bestrebungen des Vereins allseitige Würdigung in Mitgliederkreisen wie bei Gästen finden, sieht man aufs deutlichste an dem stets sehr zahlreichen Besuch der Hutzenabende. Am Sonnabend bestritt Herr Lehrer Max Wenzel aus Chemnitz, der sich als erzgebirgischer Dialektdichter eines guten Rufes erfreut und als Rezitator eigener und fremder Dichtungen Hervorragendes leistet, die Unterhaltung. Einleitend hob er u.a. hervor, daß die Anton Günthersche Poesie, wenn ihr auch eine gewisse Weichlichkeit nicht abzusprechen sei, das Gute habe, daß sie dem Eindringen der wüsten Gassenhauer in die gebirgischen Volkskreise Einhalt tue. Redner verbreitete sich des weiteren über die von groß und klein, alt und jung gesungenen Lieder der Erzgebirger, die Hutzen- und Tschumpaliedeln, beleuchtete die originelle Dichtart, ezählte von den Hutzenabenden, auf denen oft das Gruseln gelehrt werde, wies an einer großen Zahl von Beispielen nach, wie arg verbreitet der Aberglauben ist, berichtete reizende Züge aus den Sitten und Gebräuchen der Gebirgler, die sich in deren täglichem Leben offenbaren, besprach ihre Festlichkeiten und so vieles andere in denen sich das heitere Volkstum mit seinen originellen Aeußerungen wiederspiegelt. Für die Erhaltung dieses Originellen trat Redner warm ein. Aus dem reichen Schatz erzgebirgischer Literatur in Poesie und Prosa trug Herr Wenzel sodann eine große Reihe der besten Schöpfungen vor und fand damit ein recht dankbares Publikum, da er meist Humoristika bot und viel Heiterkeit erregte. Enttäuscht waren die vielen Hutzengäste, als im Laufe des Abends Herr Vorst. Ebersbach erklärte, daß dies nun vorläufig der letzte Hutzenabend gewesen sei und man sich erst nach Verlauf von vier Monaten wiedersehen werde. Man muß sich aber wohl oder übel mit dieser Tatsache abfinden, denn es gilt nun für den Verein, zum Bergfest zu rüsten, das am 9. und 10. August stattfinden soll. Was diese Vorarbeiten an Besprechungen und sonstigen Mühen mannigfacher Art nötig machen, kann wohl nur der beurteilen, der in dieser Hinsicht bereits selbst tätig gewesen ist. Das nun auch diese Vorarbeiten zum guten Gelingen des Bergfestes beitragen möchten, dazu ein „Glück auf“.
23. Mai 1914
Wie wir hören ist vergangen Mittwoch abends nach 6 Uhr Herr Amtshauptmann Graf v. Holzendorff hier eingetroffen, um zwei im Samariterwesen verdienstvoll tätigen Männern, Herrn Weber Karl Hermann Bochmann, Dresdnerstr. 85 (Obersamariter) und Herrn Expedient Gotthilf Paul Gränitz, Chemnitzerstr. 39*1 (Samariter) allerhöchste Auszeichnungen in Gestalt der Friedrich-August-Medaille in Silber zu überreichen. Herr Bürgermeister Dr. Patz, Herr Fabrikant Schulze als Vorsteher des Samaritervereins und Herr Dr. med. Lange als der die Samariter ausbildende Arzt waren bei dem feierlichen Akte, der im Sitzungssaale des Rathauses stattfand, gegenwärtig.
24. Mai 1914
Der Geburtstag Sr. Majestät des Königs wird Montag, den 25. Mai, gefeiert wie folgt:
Früh: Weckruf durch die Straßen der Stadt unter Begleitung durch die Gewehrabteilungen des Kriegsvereins und der Militärvereine,
mittags von 3/412 – ¾ 1 Uhr: Platzmusik auf dem oberen Altmarkte,
abends ½ 8 Uhr: Festmahl im großen Zimmer des Berggasthauses zur „Bismarckhöhe“. Gedeck einschließlich Festaufwand 3 Mk. 50 Pfg.
Mit der Bitte um zahlreiche Teilnahme wird zu dem Festmahle hiermit eingeladen. Besondere Einladungen an Behörden oder Privatpersonen ergehen nicht. Einzeichnungslisten für die Teilnehmer am Festmahle liegen aus im Berggasthause zur Bismarckhöhe, im Hotel Drei Schwanen, im Stadtkeller, in der Bahnhofswirtschaft sowie in den Polizeiwachen.
Unsere Mitbürger werden ersucht, durch Beflaggen der Häuser zu einer würdigen Feier dieses vaterländischen Festtages beizutragen.
Hohenstein-Ernstthal, am 15. Mai 1914
Der Ausschuß für vaterländische Festlichkeiten
24. Mai 1914
Eine rohe Tat verübte am Himmelfahtstage der Knecht eines Gutsbesitzers auf der Lungwitzer Höhe, unweit der Aue, indem er den 10 Jahre alten Knaben eines dortigen Anwohners so unbarmherzig schlug, daß das Kind kaum nach Hause laufen konnte. Es soll auf die Saat gelaufen sein. Der Knabe musste sofort in ärztliche Behandlung gegeben werden. Gegen den Knecht wurde Anzeige erstellt.
*1 Chemnitzerstraße = heute Pölitzstraße