02. November 1912
Der Stadtrat gibt in auswärtigen Blättern folgendes bekannt: Am 1. Januar 1913 ist hier die Stelle des Direktors der Altstädter (früher Hohensteiner) Schule, bestehend aus Selekta, mittlerer und einfacher Volksschulabteilung, jedoch ohne Fortbildungsschule zu besetzen. Das Diensteinkommen ist das gesetzliche, das Wohnungsgeld beträgt 600 Mark jährlich. Auswärts, aber in Sachsen verbrachte Dienstjahre werden angerechnet. Bewerbungen nebst Zeugnissen wird bis zum 15. November entgegengesehen. Persönliche Vorstellung möchte nur auf Ersuchen erfolgen.
Ende vorigen Monats schied der ständige Lehrer Herr Schleicher von unserer Altstädter Schule, um eine Lehrerstelle in Böhlitz-Ehrenberg zu übernehmen. Heute wurde an seiner Stelle Herr Hans Zesewitz, bisher Hilfslehrer in Rochsburg, von Herrn Schuldirektor Dietze eingewiesen.
03. November 1912
Auf der Bismarckstraße*1 trug sich gestern mittag ein bedauerlicher Unfall zu. Dem 13 Jahre alten Sohn eines dort wohnenden Fabrikwebers, fiel, während er an einem Hause vorüber ging ein Dachziegel auf den Kopf, der durch den starken Wind gelockert worden war. Der Ziegel durchschlug die Mütze des Knaben und verursachte im Kopfe ein tiefes stark blutendes Loch, sodaß die Hilfe eines Samariters in Anspruch genommen werden mußte.
05. November 1912
In der Nacht zum vorigen Sonnabend sind aus dem an das Poetengäßchen stoßenden Garten des Herrn Photograph Hertel, Lichtensteiner Straße 24, fünf Paar Strümpfe von der Leine weg gestohlen worden. Der Täter hatte es jedenfalls auf die „Insassen“ des Hühnerstalles abgesehen, ist aber wohl dabei gestört worden und hat diesen dann in der folgenden Nacht einen besuch abgestattet, Am Sonntag morgen bemerkte der Besitzer das Fehlen einer alten Henne mit neun Jungen, welch letztere am Vormittag aus den Nachbargärten wieder hinzukamen. Der Dieb hat die Stalltür zweifellos mit einem Nachschlüssel geöffnet und wieder geschlossen; man nimmt an, daß, als er sich mit der alten Henne zu schaffen machte, die jungen davongelaufen sind. Die Spuren des Diebes führten durch den benachbarten Heroldschen Garten, wo mehrere Zaunlatten losgerissen sind; dann fand der Täter leicht einen Ausgang durch den Feigschen Garten, dessen Tür offen stand. Von den gestohlenen Strümpfen fand man einen in der Nähe der Badstraße*2. Vorläufig fehlt noch jeder Anhalt für die Person des Diebes. Sachdienliche Wahrnehmungen wolle man der Polizei mitteilen.
09. November 1912
Wie uns Herr Stadtverordneter Gutsbesitzer Ebersbach in Hüttengrund mitteilt, bittet er, von seiner Wiederwahl in das Stadtverordneten-Kollegium absehen zu wollen. Er habe bereits früher in Rüsdorf wie in Oberlungwitz ehrenamtliche Stellungen innegehabt und nunmehr sich auch ein Jahr lang unserer Stadt zur Verfügung gestellt. Er habe aber das Bedürfnis nach Ruhe und bitte, diesem Bedürfnis Rechnung zu tragen.
Der Ortsteil Hüttengrund erhält nun ebenfalls Straßenbeleuchtung, was von dortigen Anwohnern mit Freuden begrüßt wird. Gegenwärtig werden längs der Talstraße Gaskandelaber aufgestellt. Da jedoch, aus gewissen Gründen, die nicht an unserer Stadtbehörde liegen, kein Gas gebrannt werden darf, bedient man sich vorläufig der Petroleumbeleuchtung. Da diese immer noch besser ist, als gar keine Beleuchtung, so werden sich hoffentlich die Hüttengrunder Einwohner für dieses und nächstes Jahr damit abfinden.
15. November 1912
Der Bau der elektrischen Bahn vom hiesigen Bahnhofe ab bis nach Untergersdorf ist nun soweit fertiggestellt, daß in der nächsten Zeit die Probefahrt stattfinden kann. Sie sollte bereits am heutigen Freitag vorgenommen werden, konnte aber nicht vor sich gehen, da leider noch keine Wagen eingetroffen sind. Wie wir hören, sind 10 Betriebswagen und 10 Anhängerwagen in Auftrag gegeben worden. Durch den Bau der elektrischen Bahn hat sich das äußere Bild am hiesigen Bahnhof wesentlich verändert. Gegenüber dem Güterbahnhofe ist eine Ladenhalle errichtet worden. An der westlichen Seite des Personenbahnhofes hat man den Fußsteig am Bahnhofsgebäude verlängert und verbreitert. Gegenwärtig sind wieder Arbeiter damit beschäftigt, einen gepflasterten Fußweg nach der Moltkestraße*3 herzustellen.
Durch das Anpflanzen von Linden an der Dresdnerstraße entlang der sog. Roten Acht ist wiederum ein Schritt zur Verschönerung eines Stadteinganges gemacht worden. Erst wenn – vielleicht in einem Jahrzehnt – die Bäume etwas größer geworden sind, wird man merken, wie viel diese zum Verbessern des Stadtbildes beitragen werden.
29. November 1912
Welch rege Baulust im Jahre 1912 in unserer Stadt herrschte, mag folgende Aufstellung vergegenwärtigen, die am Schlusse des Baujahres gewiß am Platze sein dürfte. Wohnhausneubauten wurden errichtet von den Herren: Scheer auf dem Pfaffenberg, Vetter an der Ecke Schiller- und König-Albert-Straße*2, Müller an der Schönburgstraße*3, Kreher an der Bismarckstraße*4, Gräbner, Semmler, Lohse, Keller, Garbe, Neubert, Korb und Rudolf an der Dresdner Straße, Keller an der Karlstraße, Fichtner am Seidelbergweg, Clauß an der Konrad-Clauß-Straße, Metzner an der Bismarckstraße*3, Winter an der König-Albert-Straße, Gebr. Mehnert an der Dresdner Straße, Franke, Kastl, Hößler und Härtig am Seidelbergweg, Uhlig und die Baugenossenschaft an der Bismarckstraße*3, insgesamt 25, wobei 12 Einfamilienhäuser sind. Außerdem errichtete der Erzgebirgsverein eine Sporthütte, Schott einen Wagenschuppen, Große vollzog einen Scheunenausbau zu Wohnzwecken, Drescher einen Wiederaufbau nach dem Brande, Lehmann und Becker einen Dachausbau. Eine Brunnenanlage schuf Becker für die Färberei. Einen Fabrikneu- bzw. – Umbau nahmen vor Zwingenberger und Gimpel, Lieberknecht errichtete ein Hammerwerk, die Ueberlandbahngesellschaft Verwaltungsgebäude, Güterschuppen, Wagenhalle und Werkstatt. Daneben gab es Neubauten und Vergrößerungen von Wagen- und Geräteschuppen, Ställen und Werkstätten, Veranden- und Balkonanlagen, Schaufenstereinbauten und Vergrößerungen in großer Zahl, sodaß von einem guten Baujahr mit Recht gesprochen werde.
*1 = Bismarckstraße, heute: Friedrich-Engels-Straße
*2 = Badstraße, heute: Paul-Greifzu-Straße
*3 = Moltkestraße, heute: Immanuel-Kant-Straße
*4 = König-Albert-Straße, heute: Conrad-Clauß-Straße
*5 = Schönburgstraße, heute: August-Bebel-Straße