2. November 1913
In der Bewirtschaftung des Neustädter Schützenhauses, daß der Dampfbrauerei Heilmann gehört, tritt heute eine Veränderung ein. Der bisherige Pächter Herr Staudte übernimmt in Chemnitz das „Cafe Brühl“ und die Bewirtschaftung des Schützenhauses übernimmt Herr Knoll, der seitherige Pächter des Gasthauses „Zur Linde“ hier.
Im Bestehen unseres Bethlehemstiftes im Hüttengrund trat soeben wieder eine Zeit der Ruhe ein. In diesem Sommer war der Besuch und die Nachfrage nach Plätzen wieder stark, so daß nicht alle Ansprüche erfüllt werden konnten. Die letzte diesjährige Abteilung Kinder verließ am Donnerstag in Begleitung des Anstaltspersonals das Stift, um, gestärkt an Körper und Geist, die Heimreise anzutreten. Das Stift wird nun bis März 1914 geschlossen.
5. November 1913
Ein Obersteiger mit einigen Bergleuten aus Zwickau waren in letzter Zeit damit beschäftigt, in den Haupttagesschacht des Lampertusschachtes drei Bühnen aus Holzkohlen einzubauen. Den Abschluß macht ein Ziegelgewölbe, das durch zwei städtische Mauerer 6 Meter unter der Erdoberfläche eingebaut wird. Bis an die Erdoberfläche wird der Schacht vom Gewölbe ab mit Erdmassen ausgefüllt. In dem erwähnten Schacht steht das Grundwasser 90 Meter hoch. Den einzigen Zugang zum Lampertusschacht bildet nun nur noch ein im Fuchsgraben liegender Stollen, durch welchen auch der Ueberlauf des obengenannten Wassers geführt, am Ausgang in Röhren gefaßt und nach und nach der Stadt geleitet wird, die es an verschiedene Konsumenten verteilt.
08. November 1913
Eine komische Szene, die allerdings für den Betroffenen von einer anderen Seite betrachtet wurde, spielte sich heute vormittag an der unteren Weinkellerstraße ab. Dort hielt ein Grünwarenhändler mit einem Handwagen, der mit allerhand eßbaren Sachen beladen war. Während nun der Besitzer nochmals in seine Wohnung zurückkehrte, mochte der Zughund Langeweile verspürt haben, denn er rückte plötzlich ohne Führer ab, jedoch so ungeschickt daß er beim Lichtspieltheater an das Schnittgerinne anfuhr und der Wagen im selben Moment umstürzte, wobei natürlich die Aepfel, Birnen, Kraut und sonstigen Leckerbissen im lieblichen Durcheinander auf die Straße und den Fußsteig flogen. Dem Tier selbst wurde es Angst, da es unter all den Herrlichkeiten lag. Es hielt nicht eher Ruhe, bis es sich unter den Körben hervorbemüht hatte, und erwartete mit eingezogenem Schwanz die Anmut des Herrn. Prügel gab es aber glücklicherweise nicht.
09. November 1913
Der bei der Firma Eduard Beckert seit über 35 Jahren arbeitende Packmeister Herr Emil Fritzsche erhielt vom Kgl. Ministerium des Innern das tragbare Ehrenzeichen für Treue in der Arbeit. Dem bei derselben Firma bediensteten Geschirrführer Herrn Herrmann Beier und dem von der Firma F. W. Hermann Nachf. und ihrer Vorgängerin beschäftigten Scherer Herrn Karl Ludwig Wolf verlieh die Stadtverwaltung das Ehrendiplom für 25jährige ununterbrochene Tätigkeit in ein und demselben Arbeitsverhältnisse. Die Auszeichnungen wurden heute vormittag im Beisein der Herren Arbeitgeber durch Herrn Bürgermeister Dr. Patz unter entsprechenden Glückwünschen an Ratsstelle ausgehändigt.
12. November 1913
Eine höchst rohe Tat verübte gestern im Hüttengrund ein dort wohnender 13 Jahre alter Schulknabe. Derselbe geht nach Indianerart mit spitz gemachten Pfeil und Bogen umher und verübt damit allerhand Unfug. So ging gestern ein vierjähriges Mädchen eines auf Kuhschnappler Anteil wohnenden Wirkers zu ihren Großeltern, in ihrer Begleitung ein Hund. Der rohe Bengel lockte den wertvollen Hund an sich und schoß ihm ins Auge, sodaß es sofort zerstört wurde. Die Range hat mit diesem Pfeil auch schon nach kleineren Kindern geschossen, sodaß es als Wunder zu betrachten ist, daß noch kein Unglück passierte. Gegen den Knaben wurde Anzeige erstattet.
13. November 1913
Ein dreister Diebstahl wurde gestern auf der Bahnstraße ausgeführt. Das kleine sechsjährige Töchterchen der Familie Wehrenpfennig war beauftragt, in einem Geschäft auf der Bahnstraße Einkäufe zu besorgen. Auf dem Wege dorthin gesellte sich ein etwa 13 Jahre altes Mädchen zu ihr, welches sie frug, ob sie nicht ein 10 Pfg. –Stück habe. Als dies von der Kleinen verneint wurde, riß sie derselben das Geldsäckchen aus der Hand, entnahm das darin befindliche 3 Mark-Stück und verschwand. Hoffentlich gelingt es, die Täterin recht bald dingfest zu machen und ihrer Strafe zuzuführen.
14. November 1913
Nachdem die letzten Zeugen des ehemals in unserer Stadt blühenden Erzbergbaues mehr und mehr verschwinden, ist es angebracht, einmal darauf hinzuweisen, daß der Erzbau hier vor hundert Jahren durch die napoleonischen Kriegsunruhen eine Zeitlang in Verfall und zum Stillstand kam. Im Jahre 1804 fuhren beim hiesigen Bergamte, zu dem der ganze schönburgische Bezirk gehörte, gegen 50 Mann an. Die folgenden Jahre brachten aber allmählich durch die Kriegsunruhen und sonstige Umstände den gänzlichen Verfall des Bergbaues in unserer Gegend. Viele Jahre ruhte der Betrieb. Er wurde erst in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts wieder aufgenommen. Gegraben wurden hauptsächlich Arsenikerze. Von 1831 bis 1877 wurden aus den hiesigen Gruben 40937 Zentner Arsenkiesstufwerk und 1744 ¾ Zentner Schwefelkiesstufwerk zum Preise von 62955 Mark an auswärtige Hüttenwerke abgegeben. Weiter wurden noch in dieser Zeit 2535 Zentner Arsenkies mit Teilen von Gold, Silber und Kupfer im Betrage von 5686 ½ Mark an die Freiberger Hüttenwerke abgegeben.
23. November 1913
Ein Dampfkessel-Ungetüm, das wohl seine 12 Meter Länge messen konnte, etwa 600 Zentner schwer war und aus der Dampfkesselfabrik Julius Marx in Chemnitz stammt, wurde heute vormittag durch unsere Stadt nach der Bleicherei Hüttengrund befördert. Der Transport begann heute früh 5 Uhr in Chemnitz und langte gegen 11 Uhr vormittags an der Stadtgrenze an, nachdem man in Wüstenbrand kurze Rast gehalten hatte. Innerhalb der Stadt gestaltete sich die Beförderung weniger schwierig, die 20 Pferde zogen den Koloß, der allerdings auf dem Straßenpflaster sichtbare Spuren hinterließ, mit Leichtigkeit; vom „Goldenen Ring“ bis zum Altmarkt konnten sogar zwölf Pferde entbehrt werden. Aber in der Nähe der Redslobschen Fabrik widerfuhr dem Transport ein Missgeschick: eine Achse war heißgelaufen und es machte sich ein längerer Aufenthalt nötig. Nach fast dreistündiger Pause fuhr man die Lerchenstraße entlang und nahm den Weg von der Eisenbahn-Überführung die steile Talstraße hinab.