3. Oktober 1913
Eine ehrende Auszeichnung wurde gestern dem hier auf der Schubertstraße wohnenden Postillon Herrn Grimm zuteil. Herr Grimm hatte am 1. September, als König Friedrich August mit seinem Gefolge durch Oberlungwitz zu tun. Als das königliche Auto nahte, begrüßte Herr den Monarchen, indem er auf seinem Posthorn das Lied „Den König segne Gott“ blies. Der Monarch und seine Begleiter dankten von dem Wagen aus Herrn Grimm für die musikalische Begrüßung. Als dann der Monarch nach Dresden zurückkehrte, ließ er Erkundigungen nach dem Postillon einziehen. Gestern nachmittag erschien nun auf dem hiesigen Postamt Herr Geheimrat Richter von der Oberpostdirektion Chemnitz und dankte im Auftrage des Königs Herrn Grimm in Gegenwart des Herrn Postdirektors Seidel für die bewiesene Aufmerksamkeit. Gleichzeitig wurde Herrn Grimm mitgeteilt, daß ihm der Monarch ein Geschenk überlassen werde.
4. Oktober 1913
Noch gut abgelaufen ist ein Vorgang, der sich heute vormittag auf der Breitestraße abspielte. Auf der Straße, gegenüber der Fabrik von Gruber, stand ein großer leerer Kastenagen, einem dortigen Geschäftsmann gehörig, an welchem sich mehrere Knaben zu schaffen machten. Plötzlich drehte einer der Knaben das Schleifzeug am Wagen auf und das schwere Gefährt sauste die abschüssige Straße hinab, wo es dann an das Böttgersche Geschäftshaus anprallte und von da an das Pothornsche Haus stieß, wo die Mauer beschädigt wurde. Auch wurde die Deichsel abgebrochen. Sonst kam glücklicherweise niemand zu Schaden.
5. Oktober 1913
Die Karlstraße, die älteste Straße und zugleich die frühere Hauptstraße Hohensteins zu einer Zeit, als der mittlere und untere Teil der jetzigen Altstadt noch nicht bebaut war, unterliegt gegenwärtig einer durchgreifenden Erneuerung der oberen Fahrbahndecke. Das alte Pflaster, das manches Jahrzehnt regen Verkehrs über sich ergehen ließ und gerade an dieser Stelle am besten bewies, daß gepflasterte Straßen am Ende die billigsten sind, wird entfernt und neues tritt an seine Stelle. Die Straße, die ihren Namen darum erhielt, daß einst Karl der Zwölfte von Schweden auf ihr seinen Durchzug durch Hohenstein bewerkstelligte, vermittelte einst den Verkehr zwischen Glauchau und Chemnitz. Dieser Verkehr muß ein recht reger gewesen sein, denn er war nicht blos Durchgangsverkehr, sondern er wurde bereichert und vermehrt durch den Bergbau und den Gewerbefleiß der Stadt. Manche Tonne Erz der Bergleute und später manches „Stück“ Tuch der Weber mag auf ihr den Weg ins Land gefunden haben. Daß die Karlstraße die Hauptstraße war, beweist auch der Umstand, daß das frühere Webermeisterhaus, das jetzige Petersiliesche Haus, an ihr errichtet wurde. Der Schlußstein am Torbogen dieses Hauses zeigt die Grafenkrone und das Jahr seiner Erbauung, 1787. Sicher werden Neuerungen, die von den Anwohnern seit langem herbeigesehrt wurden, der alten Verkehrsader vermehrtes reges Leben bringen, umsomehr, als von ihr die Hauptzugänge zum Bergwald, das Silbergäßchen, der Seidelberg- und der Meinsdorfer Weg abgehen.
8. Oktober 1913
Heute Vormittag verließ ein Untermieter auf der König Alberstraße seine Wohnung, ohne die Miete bezahlt zu haben. Zum Ueberfluß hatte er einem Lehrling im selben Hause die Uhr und einen Regenschirm gestohlen; jedoch wurde er von seinen Wirtsleuten wieder eingeholt und in die Wohnung zurückgebracht, von wo er in polizeiliches Gewahrsam genommen wurde. Es handelt sich um einen früheren Schreiber, jetzigen Bücherboten namens Friedrich Meister aus Zwickau.