5. Oktober 1917
Die Spitzbuben gehen jetzt auch am hellen Tage mit ziemlicher Frechheit zu Werke. Heute ward abermals eine Diebstahlgesellschaft – eine ältere Frau mit zwei Enkelkindern – erwischt, die mit einem Zentner erbeuteter Kartoffeln heimwärts pilgerte. Die Kartoffeln wurden beschlagnahmt. Falls der Bestohlene – es kommt ein Feld auf nördlicher Flur in Frage – Strafantrag stellt, muß auch Bestrafung der Täter erfolgen.
7. Oktober 1917
Ein gefährlicher Brand entstand heute vormittag gegen ¼ 12 Uhr im Anwesen des Herrn Viehhändler Julius Kiesow an der Badstraße. Beim Ausräuchern eines Stalles fing durch einen unglücklichen Zufall das in einem angebauten Schuppen lagernde Stroh Feuer und fast im Nu stand das ganze Lager in Flammen. Der Besitzer ist um so schwerer geschädigt, als er unter den gegenwärtigen Verhältnissen wohl kaum Ersatz finden wird für die vernichteten 80 Zentner Stroh, das bekanntlich für Heereszwecke beschlagnahmt ist. Ein großes Glück war es, daß eine Anzahl Mitglieder unserer Wehr bereits 5 Minuten nach der Feuermeldung an Ort und Stelle sein und den Flammen kräftig Einhalt tun konnte, sowie das zu dieser Zeit sich das Zuchtvieh auf der Weide befand.
16. Oktober 1917
Ein neues größeres Unternehmen wird, wie wir aus zuverlässiger Quelle erfahren, sich demnächst hier ansässig machen. Dadurch wird einem Teil der Arbeiterschaft, der gegenwärtig im nahen Chemnitz dem Verdienst nachzugehen gezwungen ist, Gelegenheit geboten, am Wohnorte bleiben und schaffen zu können. Am heutigen Montag ging das gesamte Neustädter Schützenhausgrundstück, das zu einem Teil Herrn Brauereibesitzer Heilmann, zum anderen der Neustädter Schützengesellschaft gehörte, in den Besitz der Firma Röber, Maschinenfabrik Chemnitz, Palmenstraße, über. Die Firma fertigt in der Hauptsache Drehbänke, Fräs- und Hobelmaschinen an und hat in Chemnitz keine Gelegenheit, den Betrieb zu erweitern, das soll nun zunächst hier geschehen; nach dem Kriege wird der gesamt Betrieb nach hier übersiedeln und hier auch eine Eisengießerei errichtet werden. Das Grundstück eignet sich seiner ganzen Beschaffenheit nach vorzüglich für solch eine Anlage; es hat eine Größe von insgesamt 20.000 Quadratmetern, einschließlich des 3350 Quadratmeter großen, jetzt zugeschütteten früheren Zechenteiches, der bisher Herrn Stadtrat Layritz gehörte. Das Grundstückseigentum der Schützengesellschaft umfasst gegen 7520 Quadratmeter; auf ihm befindet sich das Schießhaus und der Schießstand. Auch die nach Norden gelegene Obstanpflanzung am Fuchsgraben gehörte ihr. Den ganzen Platz schenkte das Gräfisch Schönburgische Haus der Gesellschaft gelegentlich ihrer Gründung im Jahre 1740. Durch Ankauf eines Feldes von einem Oberlungwitzer Besitzer wurde er noch vergrößert. Die Gesellschaft die gegenwärtig 65 Mitglieder zählt, von denen 18 im Heeresdienst stehen, wird sich nun nach einem neuem Heim umsehen müssen, nachdem sie sich 177 Jahre lang an der jedem Schützen lieb gewordenen Stätte wohlgefühlt hat. Dem neuen Unternehmen wünschen wir, daß es sich in für unsere Stadt segensreicher Weise entwickeln mögen.
26. Oktober 1917
Zur dankbaren Erinnerung an unseren Dr. Martin Luther soll jetzt am Reformationsjubiläumstage nachmittags 3 Uhr auf dem Pfaffenberge, nordöstlich des Berggasthauses nun auch eine Luther-Eiche gepflanzt werden. Herr Pastor Gerstmayr hat sich bereitfinden lassen, die Festrede zu halten. Zu reger Beteiligung werden Einladungen an alle Behörden, die hiesigen Vereine mit ihren Fahnen, die sämtlichen Schulen mit den drei Oberklassen, sowie an die gesamte Einwohnerschaft durch die Tageszeitungen noch ergehen.
Seine Nachlässigkeit hat der Besitzer eines Grünwarengeschäfts in der Breiten Straße schwer büßen müssen. Statt die Tageskasse nach Geschäftsschluss sicher zu verwahren, beließ er sie im Laden. Ein Einbrecher verschaffte sich durchs Fenster von einem Nebenraume aus Eingang zum Verkaufsraum und dort fiel ihm die Ladenkasse mit etwa 100 Mk. Inhalt in die Hände. Ob der Geschädigte je etwas wiedersehen wird, ist sehr fraglich, denn bis jetzt hat man von dem Täter noch keine Spur.
27. Oktober 1917
Am Montag hat die letzte Schar dieses Jahres das Bethlehemstift im Hüttengrund verlassen. Im Frühjahr schien es der Ernährungsschwierigkeiten wegen nicht möglich, die Pflege wie sonst aufzunehmen. Mit schwerem Herzen wurde den vielen angemeldeten Kindern eine Absage geschickt. Da kam die große Bewegung „Stadtkinder aufs Land“, die ganz Deutschland ergriff, und das Stift erhielt von oben einen Wink, seine Türen doch noch aufzutun, die Regierung wolle die Lebensmittel sicherstellen. Wäre es denn nicht auch unnatürlich gewesen´, eine für solche Zweck gut eingerichtete Anstalt in der Nähe geschlossen zu halten und die Kinder in die Ferne zu beliebigen Leuten zu geben? Nun strömten aber die Kinder nur so heran. In 5 Abteilungen sind 1003 aus dem ganzen Lande im Stift gewesen. Besonders den ersten Scharen merkte man die durch den Krieg veranlassten Entbehrungen stark an, und vier Wochen brachten weniger Zunahme an Gewicht, als sonst wohl. Aber die späteren Abteilungen haben sehr gut zugenommen, 8 und selbst 10 Pfund sind keine Seltenheit. Wie wohl sich die Kinder befanden, konnte man an ihrem Frohsinn und ihrer Ausgelassenheit merken. Auch ihre ganze Haltung war besser denn sonst, es gab fast keinen Ärger mit ihrem Betragen. Das günstige Wetter mit dem vielen schönen Sonnenscheine trug sehr zum Wohlbehagen bei. Noch nie gab es so wenig Krankheit, als diesmal. Die reichliche Verpflegung kam zum ganz überwiegenden Teile von auswärts, die Milch z.B. über Chemnitz von weither. Trotzdem machte es viel Mühe, das Nötige zu schaffen, und die Preise waren hoch. Mit innigem Dank gegen Gott konnte die Arbeit geschlossen werden.