März 2019

4. März 1919 – Krankenbrot betr.
Zum Backen von Krankenbrot sind folgende Bäcker ab 5. März 1919 neu bestimmt worden:
Herr Bauer, Zeißigstraße
Herr Günnel, Limbacher Straße,
Herr Lässig, Chemnitzer Straße
Hohenstein-Ernstthal, 3. März 1919
Der Stadtrat

5. März 1919
Von einem schweren Schicksalsschlag betroffen wurde der Hausweber Herr Wilh. Köhler sen. von hier. Derselbe kehrte mit seiner Gattin von einem Spaziergange aus Langenberg heim. Unterwegs wurde der Frau Köhler unwohl, und innerhalb einiger Minuten war sie eine Leiche. Ein Herzschlag hatte der rüstigen Frau ein jähes Ziel gesetzt.

8. März 1919
Ein Mitglied des Kirchenvorstandes St. Christophori, dessen Namen ungenannt bleiben soll, hat mit seiner Gattin in den letzten Tagen zwei Stiftungen von je 5000 Mark gemacht, deren eine für die kirchliche Armen- und Krankenpflege, die andere für die kirchliche Jugendpflege bestimmt ist. Das Pfarramt und der Kirchenvorstand haben diese beiden hochherzigen Spenden mit großem Danke angenommen. Derselbe Stifter hatte seinerseits die bei Gründung unseres ev. Luth. Jünglingsvereins erforderlichen Mittel für Anschaffung von Einrichtungsgegenständen zur Verfügung gestellt und später einen größeren Betrag als Grundstock für ein Vereinshaus gewährt. Die gleiche Summe hat ein anderes Glied dieser Familie erst zu Anfang d. J. für denselben Zweck gespendet.

Ein größerer Seidendiebstahl ist in der vergangenen Nacht bei der Firma G. F. Beck verübt worden. Der oder die Diebe sind wahrscheinlich durch ein Fenster in die Fabrikräume eingestiegen und haben von zehn verschiedenen Stühlen Seide im Werte von rund 10 000 Mark gestohlen.

15. März 1919
Gestern vormittag erschien ein angeblicher Vermessungsingenieur Kurt Eils, geboren am 27. Mai 1891 in Dresden, auf der Polizeihauptwache mit der Meldung, er habe auf dem Bahnhofe seine Brieftasche mit Ausweispapieren verloren und setze für ihren Wiedererlangung 50 Mark. Hierauf begab er sich nach dem Bauamt, wo er sechs Arbeiter gegen eine tägliche Entschädigung von 12 Mark verlangte, die um 10 Uhr nach dem „Schweizerhaus“ kommen sollten, sowie in das Einwohnermeldeamt, wo er sich unter obigem Namen als im Schützenhaus wohnhaft anmeldete. Da ihm aber der Boden im Rathaus doch zu heiß geworden zu sein schien, zog er es vor, ohne Lebensmittelkarten, auf die er es wahrscheinlich abgesehen hatte, zu verschwinden. Der Schwindler – denn um einen solchen handelt es sich augenscheinlich – war im Besitze großer Geldmittel und ist vielleicht mit einem identisch, der als Vermessungsingenieur Paul Zech in verschiedenen anderen Orten aufgetreten ist.

25. März 1919
Heute schaut Herr Lehrer M. Schneider an unserer Neustädter Schule auf eine 25jährige gesegnete Tätigkeit im Schuldienste zurück. Die Lehrerschaft versammelte sich deshalb früh 8 Uhr im Lehrerzimmer zu einer schlichten Feier. Herr Direktor Patzig dankte in seiner Ansprache dem Jubilar für seine treue, gewissenhafte Pflichterfüllung, brachte ihm die herzlichen Glückwünsche des Kollegiums dar und überreichte als Zeichen der Wertschätzung und zur Bleibenden Erinnerung an den Ehrentag ein sinniges Geschenk. Der Jubilar erwiderte mit einem kurzen Rückblick auf seine 25jährige Amtszeit und dankte bewegt für die ehrenden Worte, sowie für das Geschenk.

28. März 1919
Gestern abend in der sechsten Stunde ist in einer Bäckerei an der Goldbachstraße ein Soldat erschienen, hat zwei Dreipfundbrote verlangt und ist mit diesen, nachdem er sechs Mark, aber keine Marken abgegeben hatte, auf einem Fahrrad nach der Schönburgstraße zu verschwunden. Wahrscheinlich ist er mit einem Manne identisch, der vor ungefähr 6 Wochen in der gleichen Bäckerei Sechspfundbrot ohne Bezahlung weggenommen und damals seinen Weg – ebenfalls mit dem Fahrrad – nach Oberlungwitz zu genommen hat.

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Februar 1919

5. Februar 1919
Die Holzdiebstähle nehmen kein Ende: Sonntag früh wurden mehrere Einwohner aus dem Osten der Stadt beobachtet, die auf Schlitten und Wagen 20cm starke Stämme in ihre Wohnungen brachten. Bei einer von der hiesigen Polizei gemeinsam mit einem fürstlichen Forstbeamten in dieser Angelegenheit vorgenommenen Haussuchung wurden sechs Einwohner der Oststraße des Hofdiebstahls überführt; drei von ihnen wurden auf frischer Tat ertappt, als sie eine Anzahl bis zu 30cm starker Stämme in ihre Behausungen bringen wollten. Alle sehen ihrer Bestrafung entgegen unter ihnen sind verschiedene, die es nicht notwendig hätten, sich Brennholz durch Diebstahl zu verschaffen. Diese Zeilen mögen alle denen, die sich an diesem Treiben beteiligt haben, zur Warnung dienen, zumal ein etwaiges Begehen dieser Verbrechen im Rückfall besonders starke Strafen nach sich zieht.

7. Februar 1919
Einbrecher statteten gestern der Winterschen Scheune auf dem Pfaffenberg einen Besuch ab. Mit Bohrer und Säge sprengten sie in die von innen verschlossene Tür ein Loch, um zu dem Riegel zu gelangen, mussten aber unverrichteter Sache wieder abziehen. Den Spuren nach zu urteilen, hatten sie einen Schlitten mit, doch konnten diese infolge des eingetretenen Schneefalls leider nicht weiter verfolgt, die Täter daher auch noch nicht ermittelt werden.

Ein weiterer Diebstahl wurde zum Schaden eines in der Waisenhausstraße wohnenden Bäckerlehrlings verübt, dem aus dem verschlossenen Schrank und der in diesem stehenden ebenfalls verschlossenen Sparbüchse 20 Mark gestohlen wurden. In diesem Falle ist man dem Täter erfreulicher Weise auf der Spur.

8. Februar 1919
Es ist eine gewagte Sache für einen Verein, in der jetzigen heizstoffarmen Zeit, in der eine Beheizung der Säle behördlich verboten ist, ein öffentliches Vergnügen zu veranstalten. Er läuft leicht Gefahr, daß alle seine auf die Vorbereitung verwendeten Mühen nutzlos waren und das der Vereinskasse anstelle eines erwarteten kräftigen Zuwachses eine größere Zubuße auferlegt wird. Auch der gestern Donnerstag im „Schützenhaus“ veranstaltete Künstlerabend stellte eine „Aufführung im Eispalast“ dar. Der Besuch hielt sich in recht mäßigen Grenzen und mit dem Kassenerfolg dürfte der Theatralisch-artistische Verein wohl kaum zufrieden sein. Gespielt wurde, wie die Besucher das von den früheren Unterhaltungsangaben her gewöhnt sind, ausgezeichnet, sodaß sich ein vorzüglicher Gesamteindruck feststellen lies. Der Verein zählt gesangliche Kräfte zu den Seinen, die sich überall hören lassen können; daneben trieb der Humor seine Blüten, während andererseits auch Geschicklichkeitskünste zu ihrem Rechte kamen im Balanceakt und in der Schnellkunstmalerei. Die vielseitige und abwechslungsreiche Spielfolge fand einen wirkungsvollen Abschluß mit der Aufführung einer Posse, die die Zuschauer nicht aus dem Lachen herauskommen ließ und sie dadurch etwas „aufwärmte“.

Das Vereinsleben, das in den langen Kriegsjahren gehörig zurückgegangen ist, lebt jetzt wieder auf. Und das ist erfreulich, wenn es auch um manche verschwundenen Vereine nicht schade sein mag, aber Gesangsvereine, die danach streben, ihren Mitmenschen einen frohen Abend zu bereiten, verdienen die besten Wünsche, ferner Turn- und Sportsvereine und alle, die sich in den Dienst wahrer Geselligkeit und der Bildung stellen. Sie mildern die schroffen politischen Gegensätze und arbeiten dem wilden Vergnügungstaumel entgegen.

13. Februar 1919
Zu einer großen Menschenansammlung kam es gestern nachmittag in der vierten Stunde vor dem Gasthaus „Drei Schwanen“. Auf dem oberen Altmarkt war ein vor einem kleinen Kastenschlitten gespanntes Pferd scheu geworden und raste den Altmarkt hinab. An der Lichtensteiner Straße stürzte der Schlitten um und der Lenker wurde heraus geworfen; anscheinend kam er ohne nennenswerte Verletzungen davon. Das Pferd rannte weiter den unteren Altmarkt entlang, bis es am „Schwanen“ von einem Soldaten, Herrn Zschirpe d. J., auf zum Schlitten und ward eine kleine Strecke mitgeschleift; für seine brave Tat tauschte er Wunden an den Händen ein.

14. Februar 1919
Die hiesige Hebamme Frau Rudelt wurde gestern für 25jährige treue Arbeit die städtische Ehrenurkunde durch Herrn Bürgermeister Dr. Patz unter entsprechenden Glückwünschen überreicht.

16. Februar 1919
Einen seltenen Besuch hatte vor einigen Tagen Herr Baumschulenbesitzer Nee, Hüttengrundstraße, zu empfangen. Es trafen mit Kraftwagen von Chemnitz kommend zwei Dresdner Herren in Begleitung eines englischen und zweier französischer Offiziere ein, die in höflicher Form Herrn Neef baten, ihnen seine gesamten Baumschulenbestände zu zeigen. Nachdem dieses geschehen war, machte die Kommission ihm die Mitteilung, daß er im Frühjahr 1500 Obstbäume in das Sommergebiet senden soll. Bezahlung erfolgt durch die deutsche Regierung. Nach Aussagen von Herrn Neef müssen die Baumschulen von Sachsen und Thüringen insgesamt 35000 Bäume abliefern. Die Feinde nehmen nur Bäume aus Baumschulen, also nicht Privatgärtnereien.

18. Februar 1919
Zur Einführung der Sommerzeit wird neuerdings geschrieben: Die Regierung hat beschlossen, daß für das Jahr 1919 ebenso, wie in den vorhergehenden Jahren, die Sommerzeit durchgeführt wird. Die Uhr soll bereits in der Nacht zum 2. März um 60 Minuten vorgerückt werden. Die Zeitrechnung wird am 5. Oktober wieder hergestellt. Es ist die Frage aufgestellt worden, ob diese Sommerzeit auch während des Friedens aufrecht erhalten wird. Die Regierung hat eine Kommission die aus Vertretern aller Ministerien gebildet ist beauftragt, diese Frage zu untersuchen.

27. Februar 1919
Gestern abend meldete eine auf der Wilhelmstraße wohnhafte Frau in der Neustädter Bezirkswache, bei ihr sei eingebrochen und 700 Mark Geld (ein Erbanteil, den sie abliefern sollte) gestohlen worden. Die sofort angestellte Untersuchung ergab jedoch, daß die Frau den Einbruch nur fingiert hatte, um sich dadurch in den Besitz des Geldes, das man bei ihr versteckt vorfand, zu setzen, was sie nach anfänglichen Leugnen auch zugab.

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Januar 1919

3. Januar 1919
In vergangener Nacht wurden durch Gebrechen eines Schaufensters des Kaufhauses Rosenthal und Co. zwölf Stück weiße und bunte Damenhosen gestohlen. Die Ermittlungen nach dem Täter sind noch im Gange.

4. Januar 1919
Vorgestern abend wurde ein geistesgestörter dem Soldatenstand angehöriger Mann der bekleidet mit Zylinder und Gehrock mit dem Eisernen Kreuz auf hiesigem Bahnhof aufhielt und irre Reden führte, im polizeilichen Gewahrsam genommen und den Stadtkrankenhaus zugeführt, von wo er gestern an seinen Truppenteil in Chemnitz abgeliefert wurde. Der Bedauernswerte ist 28 Jahre alt, Kriegsteilnehmer und zeigte erst seit kurzem Zeichen von Geistesgestörtheit. 

16. Januar 1919 – Tanzwesen.
Mit Rücksicht auf die gegenwärtige wirtschaftliche und politische Lage und wegen der vorhandenen Kohlenot wird die Abhaltung von öffentlichen Tanzmusiken und Vereins-Tanzveranstaltungen an Wochentagen bis auf weiteres untersagt. Zuwiderhandlungen werden, soweit nach den bestehenden Gesetzen nicht höhere Strafen verwirkt sind, mit Geld bis zu 150 Mk. oder entsprechender Haft bestraft.

Stadtrat Hohenstein-Ernstthal, den 14. Januar 1919
Dr. Patz, Bürgermeister

24. Januar 1919
Vergangene Nacht wurde in die am Meinsdorfer Weg gelegene Scheune des Landwirtes K. eingebrochen. Der Dieb hat mit einem Stemmeisen das Schloß der Scheunentür aufgebrochen und aus der Siedekammer ungefähr 2 Zentner frisch ausgebrochenes Korn gestohlen. Von dem Täter fehlt noch jede Spur; etwaige Wahrnehmungen erbittet die Polizei.

25. Januar 1919
Heute morgen gegen 4 Uhr wurde von der aus Schutzmann Schüßler und Hilfsschutzmann Junghänel bestehenden Polizeipatrouille am Bahnhof ein verdächtig aussehender Mann betroffen, der bei ihren Erscheinen sofort die Flucht nach der Goldbachstraße zu ergriff und dabei einen Sack mit drei lebenden Kaninchen wegwarf. An Lieberknechts Fabrik wurde er gestellt, riß sich aber los und wurde erst an der Eisenbahnunterführung wieder festgehalten. In dem sich entspinnenden Handgemenge suchte er dem Schutzmann den Revolver zu entreißen, der losging und den Dieb durch die Hand traf, worauf er nach der Wache abgeführt werden konnte. Bei seiner Vernehmung wurde er heute vormittag als der Kirchgasse 5 wohnende Bergarbeiter Quosdorf ermittelt, der nach einer bei ihm erfolgten Haussuchung, die 65 Pfund Waren zutage förderte, zunächst den kürzlich begangenen Einbruch in die K.‘sche Scheune zugab; er bequemte sich dann auch zu dem Eingeständnis einer ganzen Anzahl in Niederwürschnitz, Lugau, Oberlungwitz und Wüstenbrand verübter Kaninchendiebstähle. Die Tiere hat er teils hier teils auswärts an Händler und Verbraucher verkauft; er wurde dem Amtsgericht zugeführt.

28. Januar 1919 – Freiwillige Feuerwehr betr.
Infolge durch den Krieg erfolgten Einberufungen ist die Mitgliederzahl der beiden Kompanien stark zurückgegangen. Um die Mitgliederzahl beider Kompanien wieder auf den alten Friedensstand zu bringen, werden die aus dem Heeresdienst entlassenen früheren Mitglieder dringend gebeten, wieder in die Wehr einzutreten. Ebenso ergeht an die übrigen Männer und Jünglinge Hohenstein-Ernstthals die Bitte, die gemeinnützige Einrichtung der Wehr durch zahlreichen Beitritt unterstützen zu wollen.

Hohenstein-Ernstthal am 22. Januar 1919
Der Stadtrat. Die Branddirektion.

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Liebe Mitglieder unseres Geschichtsvereines,

ab sofort liegen die neuen Kalender in der Karl-May-Begegnungsstätte zur Abholung für Sie bereit.

André Neubert
Vorsitzender

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Dezember 1918

1. Dezember 1918
Im Laufe der Woche ist eine Schwindlerin in zwei hiesigen Betrieben gewesen, hat sich dort als Angehörige eines aus diesem Betriebe gefallenen Familienvaters ausgegeben und gesagt, daß sich die Witwe in großer Not befinde, und hat um Unterstützung für diese gebeten. Sie hat dabei den Namen einer Person genannt, die tatsächlich aus dem betr. Betriebe gefallen ist, und zwar in einem Falle den Namen Neubert und in dem anderen den Namen Strohbach.  Es hat sich herausgestellt, daß die Angaben auf Unwahrheiten beruhen und das sie ohne Auftrag gehandelt hat. Die Schwindlerin wurde heute als die Chemnitzer Straße 64 wohnhafte erst vor kurzem aus der Strafanstalt entlassene Frieda Ella Vogel polizeilich ermittelt, die trotz anfänglichen Leugnens ihre Betrügereien schließlich eingestehen musste.
14. Dezember 1918
Wie man sich in der Stadt erzählt, ist der Kassierer der Gasanstalt Wendler, vor einigen Tagen überfallen und seiner Handtasche, in welcher sich etwa 400 Mk. kassierte Automatengelder befanden, beraubt worden. Nach den Angaben des Ueberfallenen sei er in der Nähe der Bahn Unterführungen am „Logenhause“ von zwei Soldaten durch einen Schlag über den Kopf betäubt und dann in der angegebenen Weise beraubt worden. Auf unsere Erkundigungen an amtlicher Stelle hin erfahren wir, daß die Angelegenheit zzt. die Staatsanwaltschaft in Zwickau beschäftigt und das die Ermittlungen wohl Licht in die Sache bringen werden.
Diebe haben sich in der vergangenen Nacht in drei Häuser unserer Stadt, die sie mittels Nachschlüssels geöffnet haben, und aus auf den Fluren stehenden Schränken, die sie ebenfalls gewaltsam geöffnet haben, verschiedenes gestohlen und zwar in einem Falle einen größeren Brotvorrat, in den anderen Fällen zwei Paar Herren, ein Paar Damen – und ein Paar Gummischuhe, Geflügelschere und andere Sachen. Die Erörterungen sind im Gange, Mitteilungen über etwa gemachte Wahrnehmungen erbittet das Polizeiamt.
15. Dezember 1918
Dank.
Von den Inhabern der Firma Halpert & Co. hier, den Herren Dagobert und Eugen Halpert in Gera, sind der Stadtgemeinde Hohenstein-Ernstthal 10 000 Mark gestiftet worden. Die Erträgnisse der Stiftung sollen zur Aufnahme eine hiesigen Bürgers ins Bürgerheim Verwendung finden. Unter den Bewerbern um Aufnahme steht bei gleicher Berechtigung und gleicher Würdigkeit einem Arbeiter oder Angestellten der Firma der Vorzug zu.
Die städtischen Kollegen haben von der Stiftung mit Freuden Kenntnis genommen und gern ihre Aufnahme und stiftungsgemäße Verwendung beschlossen. Sie sprechen den hochherzigen Geschenkgebern für ihre von vorbildlicher Gesinnung zeugende Spende auch öffentlich den wärmsten und herzlichsten Dank aus.
Der Stadtrat
Dr. Patz, Bürgermeister
Die Stadtverordneten
E. Lohse, Vorsteher
18. Dezember 1918
Dieser Tage stellte bei einem hiesigen Geschäftsmann ein Soldat einen schweren Reisekorb ein mit dem Bemerken, daß der Korb von einem Kameraden abholt werden wurde. Die Angelegenheit mußte aber verraten worden seien, denn nach kurzer Zeit erschien ein anderer Soldat im Laden und forschte nach dem Korb. Wie sich nun herausstellte, barg der Korb verschiedene Gegenstände, die dem Letzteren und noch anderen Kameraden gestohlen worden waren und bei passender Gelegenheit verschwinden sollten. Die rechtmäßigen Besitzer erhielten ihr Eigentum wieder zurück.
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November 2018

06. November 1918
Auf tragische Weise mußte sein Leben dem Vaterlande opfern der im 37. Jahre stehende Tapeziermeister Karl Vogel, Inhaber des seit 12 Jahren bestehenden Möbelgeschäfts Chemnitzer Straße. Am 7. Oktober sollte er wegen Erkrankung einer Sammelstelle überwiesen werden, wurde aber auf dem Transport zum Lazarett durch Entgleisung des Krankenzuges getötet. Am 3. August 1914 zum Kriegsdienst eingezogen, diente Vogel als Gefreiter in einem Reserve-Infanterie-Regiment. Die schwere Krankheit, welche er sich im Felde zu gezogen, hatte nun zur Folge, daß der im besten Mannesalter Stehende aus dem Leben gerissen wurde. Eine Witwe und zwei Kinder, sowie Eltern und Geschwister betrauern den Verlust des jederzeit schaffensfreudigen Gatten und Vaters und rührigen Geschäftsmannes. Er war der älteste Sohn des pens. Oberpostschaffners Karl Vogel. – Ferner starb infolge schwerer Krankheit in einem Kriegslazarett der 28 Jahre alte Fahrer in einem Artillerie-Regiment Herr Kurt Scheer, Sohn des Landwirts Wilhelm Scheer in Wüstenbrand (Kühler Morgen). Der Brave, der außer seiner zweijährigen Dienstzeit im Frieden über vier Jahre an den schwersten Kämpfen mit teilgenommen, mußte nun ebenfalls ein Opfer des furchtbaren Krieges werden.

09. November 1918
Die unsinnigsten Gerüchte gehen wieder einmal in unserer Stadt von Mund zu Mund. Der schlimmsten eines ist das, im Hause des Bäckermeisters Z. seien die schwarzen Pocken ausgebrochen. Frau Z. sei daran gestorben und, am ganzen Körper schwarz, in die Leichenhalle gebracht worden. Davon ist selbstverständlich kein Wort wahr. Frau Z. war lediglich an der Grippe erkrankt, versieht aber ihren Dienst im Laden schon wieder genau wie früher. Wir können nicht eindringlich genug davor warnen, solchen Klatsch zu glauben und weiterzuverbreiten, da jeder, der es tut, sich u. U., in diesem Falle wegen Geschäftsschädigung, strafbar macht.

12. November 1918
Nach kurzem Kranksein ist am Freitag Herr Schneiderobermeister Wilhelm Vates verschieden und am heutigen Montag zur letzten Ruhe bestattet worden. Mit Ihm ist ein Mann dahingegangen, der besonders bei seinen Kollegen eine beliebte Persönlichkeit und seiner Kundschaft in Stadt und Land ein gerechter Geschäftsmann war. 23 Jahre stand er der Schneiderinnung von Hohenstein-Ernstthal und Umgegend als Obermeister vor und stellte während der letzten Kriegsjahre seine Kräfte und Fachkenntnisse als Leiter der städtischen Kleiderstelle zur Verfügung. Mit 19 Jahren kam er als Zuschneider in das Swarovskysche Maßschneidergeschäft, daß er nach dem Tode seines Schwiegervaters übernahm, durch Hinzunahme fertiger Herrenbekleidung vergrößerte und über 30 Jahre lang zur Zufriedenheit seiner Kundschaft betrieb. Durch streng solides Geschäftsgebaren hat sich der Verstorbene jederzeit ausgezeichnet. Neben seiner beruflichen Pflicht war er im städtischen Volksbücherei-Ausschuß, im Steuereinschätzungsausschuß und in mehreren Vereinen als Vorstandsmitglied tätig. Alle, die mit ihm geschäftlich näherzutreten Gelegenheit hatten, werden sein Hinscheiden schmerzlich bedauern.

17. November 1918
Ein Gedenktag von hoher wirtschaftlicher Bedeutung für unsere Gegend war der gestrige Freitag. Es vollendeten sich 60 Jahre, daß die Bahnlinie Chemnitz – Zwickau in Betrieb genommen wurde. Gleichzeitig wurde auch auf der Flügelbahn Schönbörnchen – Meerane – Gößnitz der Betrieb aufgenommen.

24. November 1918
Auf Wunsch der Bergarbeiter, die wieder wie vor dem Kriege einfahren, läßt die Ueberlandbahn den Zug Nr. 47 ab Hohenstein-Ernstthal 8,56 täglich verkehren. Mit Rücksicht auf die ausfahrenden Bergarbeiter ist ein neuer Wagen in der Richtung von Oelsnitz nach Hohenstein-Ernstthal eingelegt, welcher 10,17 abends Oelsnitz verläßt. Wir verweisen im übrigen auf die Bekanntmachung in der heutigen Nr.

29. November 1918
Seit Dienstag beginnt die Stadt ihren Flaggenschmuck anzulegen, um den heimkehrenden Kriegern ein freundliches Straßenbild zu zeigen und ihnen einen Willkommensgruß zu bieten. Reich ist die Zahl der Fahnen und Flaggen noch nicht, aber sie wird wachsen, und dann werden die einziehenden Kämpfer, die uns über vier Jahre den Feind von den Grenzen gehalten haben, fühlen, wie die Stadt Hohenstein-Ernstthal ihrem Dank Ausdruck zu geben weiß. Der Bahnhof, auf dem jetzt täglich zahlreiche Krieger eintreffen, hat sich ebenfalls geschmückt, indem an jede der auf den Bahnsteigen stehenden Säulen eine Tanne oder Fichte gestellt worden ist, was dem ganzen ein überaus freundliches Aussehen gibt. Mit welchen Fahnen jeder dem Heimkehrenden einen Willkommensgruß entbieten will, ist völlig freigestellt: schwarz-weiß-rot, grün-weiß, rot-weiß oder auch rot, jede Farbe ist geeignet, um denen, die vier Jahre den Feind vom heimischen Herd ferngehalten, zu sagen: Herzlich willkommen in der Heimat!

30. November 1918
Für das „Mittagessen für arme und kränkliche Kinder an der Neustädter Schule“ spendeten im Laufe des Jahres an Gaben: Herr Fabrikbesitzer E. Meisch 86,25 Mk. und der Frauenverein St. Trinitatis 53,50 Mk. Herzlichen Dank! Vergelts Gott! Um weitere Gaben wird gebeten.

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Oktober 1918

2. Oktober 1918
In der am Dienstagabend unter Vorsitz des stellv. Vorstehers Herrn Krumbiegel abgehaltenen Stadtverordnetensitzung wurde eine 15 Punkte umfassende Tagesordnung erledigt. U. a. wurden 2000 Mk. Kosten für die Wiederherstellung der Motoranlage im Wasserhebewerk am Silbergäßchen bewilligt, die – es ist nicht festzustellen, ob durch Kurzschluß, infolge Stromschwankung, durch Blitzschlag oder dergleichen – ausgebrannt ist. Zum Preise von rund 1000 Mk. soll eine fahrbare Montageleiter für die städtische elektrische Abteilung beschafft werden. Schließlich genehmigten die Stadtverordneten die Aufnahme eines größeren Darlehns. Statt der beanspruchten Million kann die Stadt jetzt nur eine halbe Million erhalten zum Auszahlungskurs von 95,10 Mk.; die Schuld soll 15 Jahre gegenseitig unkündbar sein.

4. Oktober 1918
Schweres Leid hat abermals die Familie Flechsig hier erfahren. Nachdem schon vor nahezu drei Jahren ein Sohn auf dem Felde der Ehre geblieben, hat jetzt auch der zweite, der Jäger Hermann Flechsig vom Jägerbataillon Nr. 13, in treuester Pflichterfüllung den Heldentod erlitten. Der brave junge Mann, der in unserer Druckerei den Setzerberuf erlernte und bis zu seiner Einberufung bei uns tätig war, ist am 24. September nachmittags 1 Uhr durch Kopfschuss gefallen und von treuen Kameraden im fernen Feindesland beerdigt worden. Obwohl er erst kurze Zeit bei der Kompanie war, hätte ihn sein Kompanieführer für seine hervorragenden Leistungen als Gefechtsläufer zum Eisernen Kreuz eingegeben. Da Ehrenzeichen konnte ihn nicht mehr ausgehändigt werden, an seinem Todestage traf es ein. Mit den Eltern und Geschwistern trauern auch wir und unser Personal um den strebsamen jungen Mann, der sich durch sein Können und seine Arbeitsfreude die Anerkennung aller erworben hat und dessen Gedenken bei uns immer lebendig sein wird.

11. Oktober 1918
Ende Mai hatte der hier wohnhafte, mehrfach vorbestrafte 35jährige Maschinenarbeiter Willy Fritzsche einen dem Architekten Heinig gehörigen wertvollen Schäferhund von der Straße weg gestohlen und ihn in die Pfanne wandern lassen, was beim Bergarbeiter Sturhahn in Lugau vor sich ging. Die erste Strafkammer des Landesgerichts Zwickau verurteilte Fritzsche jetzt wegen Rückfallsdiebstahls zu fünf Monaten und Stuhrhahn wegen Hehlerei zu fünf Tagen Gefängnis.

22. Oktober 1918
Wie stets bei seinen Veranstaltungen sah der Turnerbund gelegentlich seiner am gestrigen Sonntag im Schützenhause abgehaltenen Abend-Unterhaltung ein volles Haus, was ihm umso mehr zu gönnen ist, als er die aus ihnen gewonnenen Erträge zur Auffüllung seiner gerade in der Jetztzeit notleidender Hallenbaukasse verwendet. Die Vortragsfolge war abwechslungsreich und die Darbietungen im Einzel- wie Gesamtspiel zeigten, daß die Mitwirkenden gute spielerische Kräfte sind, die alles daransetzen, ihre Gäste aufs beste zu unterhalten. Ueberwiegend war das heitere Spiel vertreten. Die Herzen rührten die Wiedergabe des Schauspiels „Heimatlos“ von Chr. Grönewald während die Einzelvorträge wie das Lustspiel „Schweres Geschütz“ von Philippi und der Schwank „Heute großes Schlachtfest“ die Lachmuskeln der Zuschauer in steter Bewegung hielten; hier fanden besonders gut veranlagte Kräfte Gelegenheit, sich mit ihrem Spiel bei den Gästen einzuschmeicheln. Das Ganze hinterließ den denkbar besten Eindruck, der Beifall wollte fast kein Ende nehmen.

27. Oktober 1918
Die Grippe zeigt in unserer Stadt noch keine Abnahme, vielmehr ist nach gewissen Anzeichen eine Steigerung der Erkrankungen zu bemerken. Wie wir hören, ist vorläufig eine Verlängerung der Krankheitsferien unserer Schulen nicht in Aussicht genommen; sollte sich am Montag früh bei Beginn der Schule erkennen lassen, daß der Krankheitsstand der Kinder immer noch ein recht erheblicher ist, so sollen dann erst eventuelle Maßnahmen beschlossen werden. Von weitergehenden Einschränkungen des öffentlichen Lebens, wie sie eine Reihe von Großstädten, u. a. auch Chemnitz, eingeführt haben, soll für unsere Stadt, da ihre Notwendigkeit noch nicht vorliegt, fürs erste noch abgesehen werden. Im übrigen möchten wir nochmals darauf aufmerksam machen, daß der wirksamste Schutz vor der Grippe vor allem im persönlichen Verhalten begründet liegt; fleißiges Ausspülen des Mundes und der Nase mit einer Lösung von Kochsalz oder übermangansaurem Kali, öfteres Waschen der Hände, Vorsicht beim Husten, Niesen und Räuspern, für unsere Geschäftsleute öfteres Reinigen der Ladentafeln, Laufstangen usw. mit irgendeinem der desinfizierenden Waschmittel und das Meiden von Räumen, wo mit größeren Ansammlungen von Menschen zu rechnen ist.

31. Oktober 1918
Am 19. d. M. sind die letzten Kinder aus dem Bethlehemstifte fortgezogen. Das Stift hat nun seine Jahrespflege wieder beendet. Die böse Grippe hatte diese zuletzt noch arg gestört. Das Stift mußte vorzeitig geschlossen werden, etwa 90 Kinder blieben aber bettlägerig zurück, einige davon lagen recht schwer, die allermeisten machten sich aber rasch wieder heraus. Es war jedenfalls das Beste, daß man sie nicht nach Hause holte, sondern ruhig im Stift ließ, wo sie die sorgsamste Pflege genossen. Beim üblichen Wiegen zuletzt stellte sich ein Ergebnis heraus, daß nicht zu erwarten gewesen war. Von den 72 Kindern, die bis zuletzt geblieben waren, während alle Tage zuvor schon Kinder nach Hause abgeholt wurden hatten 17 um 7, 8 um 8, 5 um 9, 10 um 10, 4 um 11, 2 um 12 Pfund zugenommen. Die große Hälfte hatte den sonstigen Durchschnitt, 6-7 Pfund, mehr oder weniger übertrumpft. Sie sind ja freilich ganz besonders gut ausgefüttert worden, da bei dem starken Sinken der Mäulerzahl zuletzt reichliche Vorräte zur Verfügung waren. Immerhin bleibt eine derartig hohe Gewichtszunahme verwunderlich. Sie deutet aber doch auch mit darauf hin, wie stark die Kinder jetzt zurückgekommen sind und wie groß ihre rasche Zunahmefähigkeit ist. Ein Chemnitzer Ehepaar, das den zweiten Kriegsjungen taufen lassen konnte, gab seiner Freude dadurch Ausdruck, daß es dem Stifte 1000 Mk. schenkte, die womöglich zur Erweiterung der Krankenstation verwendet werden sollen. Aus unserer Stadt haben in diesem Jahre mehr Kinder als sonst, die Wohltat der Pflege genossen.

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September 2018

5. September 1918
In der gestrigen nichtöffentlichen Sitzung der Stadtverordneten wurde der Ankauf des bisher der Firma G. F. Beck gehörigen Hauses (Ecke Markt und Bismarckstraße) zum Preise von 60 000 Mk. beschlossen. Das Grundstück soll städtischen Zwecken nutzbar gemacht werden. Bei dem lebhaften Interesse, welches die Bürgschaft als Steuerzahler an der Gestaltung der städtischen Finanzen hat, wäre es angebracht gewesen, wenn die Frage des Ankaufes vorher öffentlich zur Diskussion gestellt worden wäre.
14. September 1918
Die Rodelhütte, in die schon vor einigen Wochen mehrere junge Burschen eingedrungen waren, wurde vor ungefähr vier Wochen erneut von Einbrechern heimgesucht, die nach Zertrümmerung von Fenstern und Läden auf dem Herd Kartoffeln, die sie vorher gestohlen hatten, kochten und auch sonst mehrfach Schaden anrichteten. Leider ist man  ihrer bisher noch nicht habhaft geworden, doch kommen auch in diesem Fall junge Burschen in Betracht.
15. September 1918
Wir empfehlen nochmals den Besuch des Vortragsabends im Schützenhaus aufs wärmste. Alle Lieder, sowohl die zur Laute, als auch die vom Kirchenchor vorgetragenen, sind Volkslieder, die durch ihre Schlichtheit auf das Gemüt wirken, z. B. „Hab Sonne im Herzen!“  „Auf den Bergen wohnt die Freude“, Am Brunnen vor dem Tore“,  „Ich geh´ durch einen grasgrünen Wald“ usw. Der Eintritt ist so niedrig bemessen (10 Pfg.) daß niemand versäumen sollte, den Abend zu besuchen
17. September 1918
Vor ungefähr drei Wochen sind aus einer Breitestraße 2 gelegenen Wohnung aus dem Wäscheschrank eine goldene Damenuhr mit Kette im Werte 25 Mark gestohlen worden. Die Uhr war innen „Lina Gläser“, der Ring „L. G.“ graviert. Wahrnehmungen über den Täter, der noch nicht ermittelt werden konnte, wolle man der Polizeiwache melden.
20. September 1918
Das Bethlehemstift im Hüttengrunde kann nunmher auf ein 27jähriges Bestehen zurückblicken. Aus kleinen Anfängen ist diese Anstalt in der Höhe gewachsen. Wenn es anfänglich nur 30 Kinder gleichzeitig bei sich sah, so ist die Zahl jetzt auf über 200 gestiegen, und wenn 1891 im ertsen Hause 61 Kinder aufgenommen wurden, so wird die Zahl im laufenden Jahre über 1200 betragen. Am Dienstag verließ die 5. Abteilung (235) Kinder das Stift, um nach vierwöchiger Erholung gekräftigt ins Elternhaus zurückzukehren. Den Betrieb jetzt im Kriege aufrecht zu erhalten, ist der Nahrungsmittel wegen sehr schwierig gewesen. Das Stift beherbergte in diesem Jahre besonders viele Kinder aus Hohenstein-Ernstthal, Waldenburg, Glauchau, die meisten kamen aus Chemnitz und Umgebung, aber auch viele aus Dresden und den Leipziger Vororten. Trotzdem das Brot auch im Stift manchmal ausblieb aber knapp war und man nicht wußte, wie man die Kinder satt bekommen sollte, sind doch bei einzelnen Pfleglingen nach vierwöchiger Verpflegung anfallende Gewichtszunahmen beobachtet worden. Von der guten Waldluft wird ein in der körperlichen Entwicklung begriffenes, meist unterernährtes Kind nicht satt, dazu gehört eben doch noch viel mehr. Es ist für die Verwaltung des Bethlehemstiftes keine leichte Aufgabe, für Milch und sonstige nahrhafte Speisen für annähernd 200 Kinder zu sorgen. Zur Hebung des Allgemeinbefindens  trägt viel die Regelmäßigkeit in Ruhe und Bewegung bei, auch die größeren Kinder müssen nach dem Mittagessen einige Stunden ruhen und wie die anderen jüngeren Kinder abends zeitig ins Bett. Die vorzügig eingerichtete Anstalt – ein großes Verdienst des Herrn Kirchenrats Siebenhaar – ist von unberechenbarem Wert für die Kinderwelt aus hiesiger Pflege. Die Stiftung des verstorbenen Kommerzienrats Reinhard hat mit ihren Freistellen zum ersten Male Hohenstein-Ernstthaler Kindern dienen können. Nächsten Sonnabend hält die 6 Abteilung mit 170 Kindern ihren Einzug in das Stift, die die letzten in diesem schweren Kriegsjahre sein werden. Das Waldhaus ist nicht mehr belegt worden. Wenn nicht die Regierung die Ernährung sichergestellt hätte, wäre es nicht möglich gewesen, das Stift in diesem Jahre lebensfähig zu erhalten. Gott wird nach diesen Nöten auch wieder leichtere Zeiten geben.
An Gerichtsstelle wurde heute im Wege der Zwangsvollstreckung das gegenwärtig herrenlose „Webermeisterhaus“ versteigert. Es war mit 23 780 Mk. zur Landesbrandkasse versichert und einschließlich der auf 2200 Mk. bewerteten Einrichtung auf 38 200 Mk. geschätzt. Herr Bierverleger Constantin Haubold in Oberlungwitz erwarb sich das Grundstück für den Wert der Hypotheken (20 000 Mk.) zuzüglich der bis jetzt aufgelaufenen Zinsen.
24. September 1918
Im hohen Alter von 86 Jahren starb am vorigen Freitag ein in allen Kreisen unserer Stadt hochgeschätzter Mann, George Michelet der, obwohl nicht hier aufgewachsen, dennoch sich mit unserem Gemeinwesen so verwachsen zeigte, daß sein Leben und Wirken unter uns von Bedeutung war. Der Dahingeschiedene entstammt einer Emigrantenfamilie; sein Großvater wanderte 1793 aus Frankreich nach Lübeck aus, das Michelets Geburtsstätte ist. Von dort ging er, von Beruf Dekorationsmaler, zunächst nach Waldheim und kam im Jahre 1858 nach hier. Im folgenden Jahre erwarb er das Haus Altmarkt 3, in dem er jetzt sein Leben beschloß, daß ihm neben vieler Freude auch ein gerüttelt Maß von Kümmernis brachte. Betätigte Georg Michelet sich im Verein mit den vor einigen Jahren verstorbenen Stadtrat William Zeißig in ersprießlicher Weise an der städtischen Armenpflege, so fand er auch Gelegenheit, sich im Vereinsleben besonders fördernd hervorzutun; Bürgererholung und Rosenverein erfreuten sich seiner regen Mitarbeit, die Freiw. Feuerwehr 1. Komp. und die Schützenkompanie Altstadt verlieren in ihm ihr hochgeachtetes Ehrenmitglied. Erst vor wenigen Wochen wurde dem Hochbetagten die schmerzliche Mitteilung, daß einer seiner Enkel, der Fliegerleutnant Horst Fauser, den Heldentod gestorben ist. Morgen Dienstag nachmittag 3 Uhr wird George Michelet auf dem Altstädter Friedhofe zur ewigen Ruhe gebettet.
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August 1918

03. August 1918
Die zahlreichen durch Rucksäcke entstandenen Fensterscheibenbrüche haben die Eisenbahnverwaltung veranlaßt, das Tragen vollbepackter Rucksäcke auf dem Rücken beim Betreten und Verlassen der Eisenbahnwagen unter bahnpolizeiliche Strafe zu stellen. Daneben muß noch der verursachte Schaden ersetzt werden.

04. August 1918
Wie erst jetzt zur Kenntnis der hiesigen Polizei kommt, wurde Mitte Juli 1916 aus einem hiesigen Bäckerladen ein Geldtäschchen mit einem größeren Geldbetrag aus der Ladenkasse gestohlen. Beides ist der hiesigen Polizei jetzt zugestellt worden, wo sich der Verlustträger melden kann.

13. August 1918
Vergangenen Sonnabend wurde die hier Schulstraße 27 wohnhafte Witwe Wiesemann von einem Feldbesitzer an der Goldbachstraße beim Kartoffeldiebstahl betroffen und der Polizei zugeführt. Da Strafantrag vorliegt, sieht sie ihrer Verurteilung nunmehr entgegen.

14. August 1918
Die fleischlosen Wochen kennzeichnen sich dadurch, daß Fleischkarten in ihnen nicht eingelöst werden, sondern daß an deren Stelle eine Belieferung mit Kartoffeln bzw. Mehl tritt, Daraus ergibt sich, daß diejenigen Arten von Wild und Geflügel, deren Abgabe bisher ohne Fleischkarten zulässig war, auch in den fleischlosen Wochen ausgegeben werden dürfen. Jedoch auch bezüglich des markenpflichtigen Wildes und Geflügels hat der Staatssekretär des Kriegsernährungsamts mit Rücksicht auf dessen leichte Verderblichkeit Ausnahmen, insbesondere für die Versorgung von Kranken in Lazaretten und Krankenanstalten, zugelassen. Die Regelung der notwendigen Anordnungen, um Verderben von Wild zu verhüten, erfolgt durch die Kommunalverbände.

20. August 1918
Tödlich verunglückt ist am Sonnabend vormittag 10 Uhr der auf der Kaisergrube in Gersdorf beschäftigt gewesene Bergarbeiter und frühere Handelsmann Herr Paul Stark von hier dadurch, daß ihm von einem umgekippten Hunt der Brustkorb eingedrückt wurde. Der Bedauernswerte, der seiner Hilfsdienstpflicht gerügte, war verheiratet und Vater von vier Kindern. Sein Leichnam wurde nach der Neustädter Friedhofhalle gebracht.

21. August 1918
Bei der bekannten steinernen Bank an der Waldecke oberhalb der Windmühle tötete gestern Herr Karl Resch, Karlstraße, von drei dort gelagerten Kreuzottern eine, welche neun lebende Junge im Leibe trug. Angesichts der Tatsache, daß in diesem Jahre trotz der ungünstigen Witterung ziemlich viele solcher Giftschlangen beobachtet wurden, warnen wir dringend, unsere Waldungen mit bloßen Füßen zu betreten.

22. August 1918
Die Einziehung und Außerkurssetzung der 25-Pfennig-Stücke aus Nickel ist, wie nochmals in Erinnerung gebracht sei, vom Bundesrat zu 1. Oktober 1918 beschlossen.

24. August 1918
Ein seltenes Bild bieten dieses Jahr, besonders an den Straßen, die Aepfelbäume. Sie sind so voll mit Obst behangen, wie seit vielen Jahren nicht. Wäre die Frucht in ihrer Größe normal, so würden die Bäume sie gar nicht tragen können. So aber sind wegen der großen Trockenheit im Frühjahr die Aepfel zum größten Teil klein – eine Erscheinung, über die auch in anderen Gegenden geklagt wird.

31. August 1918
Gewöhnlich treten die Schwalben Ende August und Anfang September ihren Flug zu den Winterstätten an. Seit Mitte letzter Woche sind die Schwalben bis auf einige Nachzügler verschwunden.

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Dezember 1912

01. Dezember 1912
Einen empfindlichen Schaden erlitt gestern abend ein auf der Aktienstraße wohnender älterer verheirateter Hausweber, der für eine Lichtensteiner Webfirma arbeitet. Er hatte im Inneren seines Webstuhles eine Arbeit zu verrichten, wobei er mit der Petroleumlampe an das Jacquardmuster kam und dieses Feuer fing, das so schnell um sich griff, daß binnen kurzer Zeit der ganze innere Webstuhl ausbrannte.

02. Dezember 1912
In der Nacht zum Sonntag bald nach Mitternacht meldeten Hornsignale von der Bahnstellerei an der Goldbachstraße den Ausbruch eines Feuers, und wer zu dieser Zeit gerade unterwegs war oder durch diese Signale geweckt ward, sah bald den ganzen Himmel intesiö gerötet. Es brannte die oberhalb des Altstädter Friedhofes gelegene neue Scheune des Herrn Oekonom Max Leuschner, Karlstraße. Das Feuer brach an der östlichen Seite aus, an der sich die Eingänge befinden. Die Tatsache, daß eine Tür erbrochen aufgefunden ward, legt den Verdacht der Brandstiftung nahe. Herr Leuschner selbst ist am Sonnabend mittag das letzte Mal in der Scheune gewesen und hat nichts Verdächtiges bemerkt. Verbrannt sind gegen 60 Schock Hafer, 70 Schock Korn (unausgedroschen), 30 Zentner Heu, 18 Sack Hafer, eine Dresch- und eine Häckselmaschine und verschiedenes landwirtschaftliche Gerät. Es ist bereits das dritte Mal, daß Herr Leuschner von einem Scheunebrand heimgesucht wird. Trotzdem er versichert hatte, ist sein Schaden doch immerhin ein bedeutender. Unsrer Feuerwehr bot sich wenig Gelegenheit zum Eingreifen, da nichts mehr zu retten war, als der Brand bemerkt wurde. Die Wehr war nach Beendigung ihrer Versammlung noch zu einem großen Teil im „Ratskeller“ und im „Braunen Roß“ beisammen und begab sich sofort zum Brandplatze. Von einem allgemeinen Feueralarm wurde aus diesem Grunde und weil andere Gebäude ja auch nicht gefährdet waren, abgesehen, dennoch aber konnte sichs ein Signalist nicht verkneifen, kräftig in sein Horn zu stoßen; er erreichte damit allerdings nur, daß ein Teil der Einwohnerschaft völlig grundlos beunruhigt wurde. Mit unwilligen Zurufen wurde der Hornist denn auch auf das völlig Unzweckmäßige seines Tuns aufmerksam gemacht wurde.

03. Dezember 1912
Noch gut abgelaufen ist ein Vorgang, der sich vorige Woche in einer Familie auf der König Albertstraße*1 abspielte. Der ältere 16 Jahre alte Sohn war mit seiner 12jährigen Schwester in Streit geraten. Letzterer artete so weit aus, daß der junge Mann ein Messer nahm und dasselbe nach dem Mädchen schleuderte. Unglücklicherweise traf das Messer den Kopf des Kindes, eine tiefe Wunde an der Schädeldecke zurücklassend.

Einem Zechpreller fiel vorigen Freitag ein Altstädter Gastwirt in die Hände. Bei demselben erschien ein junger, elegant gekleideter Herr. Er hielt sich längere Zeit im Lokal auf, aß zweimal und trank auch einige Glas Bier dazu. Unterdessen ging der Wirt zu einer geschäftlichen Versorgung aus dem Hause, und dies hatte der Gast bemerkt. Als auch die Wirtin für kurze Zeit nach der Küche ging, entfernte sich der junge Mann ohne Bezahlung der Zeche und unter Zurücklassung eines Hutes. Der Schwindler dürfte im Besitze einer zweiten Kopfbedeckung gewesen sein.

07. Dezember 1912
Das Kunzegäßchen hat durch die Zaunanlage des angrenzenden Claußschen Besitzes in seinem östlichen Teil eine wesentliche Verbreiterung und Verschönerung erfahren. Heute schon ist zu ersehen, daß das heißumstrittene Gäßchen, wenn es erst einmal auf der anderen Seite ausgebaut worden ist, sicher nichts unschönes darstellen wird. Im Gegenteil wird es ein ideeller Verbindungsweg mit Gartencharakter sein, der noch mehr gewinnen wird, wenn die alten Bäume im Kunzeschen Grundstück möglichst erhalten werden, was nicht stören würde, selbst wenn der eine oder andere etwas in den Weg hineintragen würde.

15. Dezember 1912
Der im hiesigen Bahnhofe beamtete Bodenmeister, Herr Oehmig, kehrte von einem gestern abend unternommenen Gange nach dem Stadtinnern nicht wieder nach dem Bahnhofe – in dessen Hauptgebäude er auch wohnt – zurück. Aus heute früh aufgefundenen Briefen Oehmigs geht seine Absicht, sich ein Leid anzutun, unverkennbar hervor, was nur auf vorher nicht bemerkter geistiger Störung des Vermißten beruhen kann, da nach unseren Erkundungen weder dienstliche noch private Umstände vorliegen, die den von seinen Vorgesetzen als besonders treuen, diensteifrigen und zuverlässigen Beamten geschätzten Mann zu einem so bedauerlichen Schritte verleiten konnten. Wahrnehmungen über den Verbleib Oehmigs wolle man ungesäumt einer polizei- oder Eisenbahndienststelle bekannt geben.

17. Dezember 1912
Was befürchtet wurde, ist eingetreten: am gestrigen Sonntag nachmittag fanden Kinder in Abteilung 35 des fürstlichen Forstreviers Oberwald unweit von Reichenbach den seit Sonnabend Nacht vermißten Bodenmeister Herrn Oehmig erhängt auf. Was den pflichttreuen, alten Beamten, der bei seinen Vorgesetzten wie Untergebenen und dem Publikum, mit dem er dienstlich wie außerdienstlich in Berührung kam, gleich wohlgelitten war, in den Tod geführt, ist ein vollkommenes Rätsel. Man kann nur annehmen, daß eine augenblickliche geistige Störung in ihm den unheilwollen Entschluß hat reifen lassen.

18. Dezember 1912
Eine recht mysteriöse Angelegenheit spielte sich gestern nachmittag gegen 2 Uhr auf der Lungwitzer Höhe, oberhalb der hiesigen Gasanstalt, ab. Zwei gut gekleidete Männer verfolgten von hiesiger Stadt aus einen anderen Mann, der in der Richtung nach Oberlungwitz floh, wobei auch die ersteren zwei Schüsse nach dem Flüchtling abgaben. Ob es Schreckschüsse oder scharfe Schüsse waren, konnten die Bewohner an der Schützen- und Schönburgstraße*2, die den Vorgang beobachteten nicht ermitteln, da der Flüchtling nach Oberlungwitz verschwand. Leider konnten wir über die Angelegenheit nichts Genaueres erfahren.

22. Dezember 1912
Zum Direktor der Altstädter Schulen hat der Schulausschuß in seiner gestrigen Sitzung Herrn Schuldirektor Galster in Schedweitz bei Zwickau gewählt.

Die Bleicherei Hüttengrund ist heute aus dem Besitze der Frau verw. Koch in den der Herren Gebrüder Meißner, Söhne des Herrn Färbereibesitzer Arthur Meißner in Grüna, übergegangen.

31. Dezember 1912
Unsere Berganlagen sind durch einen weiteren schönen Weg, der ein bisher unerschlossenes Gebiet für die Spaziergänger eröffnet, bereichert worden. Er nimmt am Seidelbergweg zwischen den Gärten der neuen Karlstraßenhäuser und der Haugkschen Gärtnerei, durchläuft im Bogen das Rothersche Feld und nimmt, nachdem er am dort stehenden Unterstandshäuschen vorbeigeführt ist, den vom Silbergäßchen heraufkommenden und den durch die Buchen gehenden Weg auf, um am Ende unmittelbar am Fichtnerschen Besitz wieder in den Seidelbergweg einzumünden. Er wird sicher zu jeder Jahreszeit gern und viel von denen aufgesucht bzw. begangen werden, denen der Blick vom Unterstandshäuschen nach dem Altmarkt und seiner Umgebung und darüber hinaus nach dem fernen Hainholz ein gern genossener ist.

*1 König Albertsraße = heute Conrad-Clauß-Straße
*2 Schönburgstraße = heute August-Bebel-Straße

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