01. September 1910
Im Mineralbad Hohenstein-E. findet, wie wir schon kurz mitteilten, morgen Donnerstag abend von ½ 8 Uhr an eine Reunion statt, mit welcher die dortigen Kurgäste eine Abschiedsfeier von ihrer Erholungsstätte begehen. Sie haben sich aufs angelegentliche bemüht, nur Vorzügliches zu bieten und diesen Abend zu einem der schönsten zu gestalten. In herrlichem Schmucke präsentiert sich der schöne Festsaal, der einen Ausschnitt aus dem frischen grünen Walde darstellt, und es ist in vorsorglicher Weise darauf Beobacht genommen worden, daß die Gäste, die sich hoffentlich auch recht zahlreich aus der Einwohnerschaft unserer Stadt einstellen, in jedem Betracht angenehme Stunden verleben werden. Die Festgeber haben, um dem Abend eine höhere Bedeutung zu geben, eine Anzahl Künstler zu Darbietungen gewonnen, so einen Violin-Virtuosen, der in London und anderen Städten Englands usw. seinen guten Ruf aufs Beste bewährte, einen Solo-Trompeter aus Dresden, eine Gesangskünstlerin aus Chemnitz. Schon diese kurzen Angaben dürften volle Gewähr für ein volles und schönes Gelingen des Abends bieten. Besonders hervorgehoben sei noch, dass der Besuch dieser Reunion ein völlig eintrittsfreier ist.
18.September 1910
Die Zahl der Fabrikessen in unserer Stadt ist wieder um eine vermehrt worden. Die Firma Anton Haase, Nadelfabrik, die einen größeren Fabrikerweiterungsbau ausgeführt, läßt eine solche erbauen. Die neue Esse, die ziemlich fertiggestellte ist überragt die alte noch um 4 Meter. Es macht einen etwas beängstigenden Eindruck, den Maurer in dieser Höhe arbeiten zu sehen und wie die Baumaterialien von außen mittels Leinen in die Höhe befördert werden. Die Esse wird, wie wir hören, 30 Meter hoch und soll den Zwecken der Härterei dienen.
Ein Unfall, der glücklicherweise ohne Schaden für die Beteiligten ablief, passierte vorgestern nach Arbeitsschluß auf der Dresdnerstraße. Ein Radfahrer, der nach der Stadt zurückkehrte, überfuhr bei den Friedhofsanlagen ein in der Nähe wohnendes 8jähriges Mädchen. Trotzdem der Radler nicht zu schnell fuhr, auch von seiner Klingel ausgiebig Gebrauch machte, lief das Kind beim Haschespiel ins Rad. Das Kind kam unter das Rad zu liegen, während der Radfahrer bei dem Bestreben abzuspringen, zu Falle kam. Er wie das Kind blieben zum Glück unverletzte. Der Fall zeigt jedoch, daß viele Unfälle vermieden werden könnten, wenn die spielenden Kinder dem Fahrverkehr über aufmerksamer wären.
25. September 1910
Einen recht empfindlichen Verlust erlitt gestern ein 10jähriges Mädchen auf der Logenstraße, das von seiner dort wohnenden älteren Schwester zum Einkauf von Waren ein Zehnmarkstück erhalten hatte. Auf der Straße geriet das Mädchen mit einem anderen siebenjährigen in Streit, es legte, um die Hände zur „Arbeit“ freizubekommen, das Goldstück einstweilen „beiseite“. Das kleiner Mädchen nahm schnell die Gelegenheit wahr, um dem größeren eins auszuwischen und warf das Goldstück, das es für einen Pfennig angesehen haben will, in die Wiese im Garten der „Turnerschaft“, wo man es bis jetzt noch nicht wiedergefunden hat.
30. September 1910
Gleichwie am Totensonntag des vorigen Jahres, so meldete man auch heute nacht von der Stellerei an hiesigen Bahnhof durch Hornsignale und dann seitens der Feuerwehr wie auch durch die elektrische Alarmanlage den Ausbruch eines Brandes in der Theodor Lieberknechtschen Maschinenfabrik an der Bahnhofstraße. Gegen 1 Uhr ward das Feuer, daß in der Schmiederei ausgekommen ist, bemerkt, und in ganz kurzer Zeit stand auch schon der provisorische Holzbau in Flammen, in welchem nach den vorjährigen großen Brande, welcher bekanntlich den Betrieb der Firma völlig lahm legte, vorläufig die Arbeit wieder aufgenommen worden war. Unsere freiwillige Feuerwehr war schnell zur Stelle, konnte auch sofort mit mehreren Schläuchen den Brand bekämpfen, aber dieser griff in den einmal betroffenen Räumen zu schnell um sich. Man mußte daher sein Hauptaugenmerk auf die Erhaltung des Neubaus richten, was auch gelang. Allerdings ist die über der jetzigen Brandstätte aufgeführte Dachkonstruktion arg in Mitleidenschaft gezogen; die Holzverschalung ist zu einem großen Teile verkohlt und auch das eiserne Gerippe dürfte Schaden gelitten haben. Völlig ausgebrannt sind die Schmiede und der Montageraum, in welchem eine Anzahl fast fertiger und vollendeter Pagetmaschinen stand, die natürlich auch unbrauchbar geworden sind. In beiden Räumen waren etwa 25 Arbeiter beschäftigt, und der Schaden, der an Maschinen, Werkzeug und sonstigem Material angerichtet ward, ist recht bedeutend; zwar dürfte der Materialschaden durch Versicherung teilweise gedeckt sein, was aber hinsichtlich des Gebäudeschadens fraglich ist. Beide Kompagnien unserer Wehr gingen dem Feuer kräftig zu Leibe und so konnte gegen ½ 3 Uhr jede weitere Gefahr für die Fabrik als behoben angesehen werden, weshalb kurz danach auch die 2. Kompagnie den Brandplatz verlassen konnte. Die 1. Kompagnie war noch einige Zeit mit den Beräumungsarbeiten beschäftigt. Die schnelle Ausdehnung des Brandes lässt die Annahme einer Brandstiftung berechtigt erscheinen, wenngleich sich bezüglich der Person des Verübers einer solch ruchlosen Tat noch keinerlei Anhaltspunkte ergeben haben.