5. September 1918
In der gestrigen nichtöffentlichen Sitzung der Stadtverordneten wurde der Ankauf des bisher der Firma G. F. Beck gehörigen Hauses (Ecke Markt und Bismarckstraße) zum Preise von 60 000 Mk. beschlossen. Das Grundstück soll städtischen Zwecken nutzbar gemacht werden. Bei dem lebhaften Interesse, welches die Bürgschaft als Steuerzahler an der Gestaltung der städtischen Finanzen hat, wäre es angebracht gewesen, wenn die Frage des Ankaufes vorher öffentlich zur Diskussion gestellt worden wäre.
14. September 1918
Die Rodelhütte, in die schon vor einigen Wochen mehrere junge Burschen eingedrungen waren, wurde vor ungefähr vier Wochen erneut von Einbrechern heimgesucht, die nach Zertrümmerung von Fenstern und Läden auf dem Herd Kartoffeln, die sie vorher gestohlen hatten, kochten und auch sonst mehrfach Schaden anrichteten. Leider ist man ihrer bisher noch nicht habhaft geworden, doch kommen auch in diesem Fall junge Burschen in Betracht.
15. September 1918
Wir empfehlen nochmals den Besuch des Vortragsabends im Schützenhaus aufs wärmste. Alle Lieder, sowohl die zur Laute, als auch die vom Kirchenchor vorgetragenen, sind Volkslieder, die durch ihre Schlichtheit auf das Gemüt wirken, z. B. „Hab Sonne im Herzen!“ „Auf den Bergen wohnt die Freude“, Am Brunnen vor dem Tore“, „Ich geh´ durch einen grasgrünen Wald“ usw. Der Eintritt ist so niedrig bemessen (10 Pfg.) daß niemand versäumen sollte, den Abend zu besuchen
17. September 1918
Vor ungefähr drei Wochen sind aus einer Breitestraße 2 gelegenen Wohnung aus dem Wäscheschrank eine goldene Damenuhr mit Kette im Werte 25 Mark gestohlen worden. Die Uhr war innen „Lina Gläser“, der Ring „L. G.“ graviert. Wahrnehmungen über den Täter, der noch nicht ermittelt werden konnte, wolle man der Polizeiwache melden.
20. September 1918
Das Bethlehemstift im Hüttengrunde kann nunmher auf ein 27jähriges Bestehen zurückblicken. Aus kleinen Anfängen ist diese Anstalt in der Höhe gewachsen. Wenn es anfänglich nur 30 Kinder gleichzeitig bei sich sah, so ist die Zahl jetzt auf über 200 gestiegen, und wenn 1891 im ertsen Hause 61 Kinder aufgenommen wurden, so wird die Zahl im laufenden Jahre über 1200 betragen. Am Dienstag verließ die 5. Abteilung (235) Kinder das Stift, um nach vierwöchiger Erholung gekräftigt ins Elternhaus zurückzukehren. Den Betrieb jetzt im Kriege aufrecht zu erhalten, ist der Nahrungsmittel wegen sehr schwierig gewesen. Das Stift beherbergte in diesem Jahre besonders viele Kinder aus Hohenstein-Ernstthal, Waldenburg, Glauchau, die meisten kamen aus Chemnitz und Umgebung, aber auch viele aus Dresden und den Leipziger Vororten. Trotzdem das Brot auch im Stift manchmal ausblieb aber knapp war und man nicht wußte, wie man die Kinder satt bekommen sollte, sind doch bei einzelnen Pfleglingen nach vierwöchiger Verpflegung anfallende Gewichtszunahmen beobachtet worden. Von der guten Waldluft wird ein in der körperlichen Entwicklung begriffenes, meist unterernährtes Kind nicht satt, dazu gehört eben doch noch viel mehr. Es ist für die Verwaltung des Bethlehemstiftes keine leichte Aufgabe, für Milch und sonstige nahrhafte Speisen für annähernd 200 Kinder zu sorgen. Zur Hebung des Allgemeinbefindens trägt viel die Regelmäßigkeit in Ruhe und Bewegung bei, auch die größeren Kinder müssen nach dem Mittagessen einige Stunden ruhen und wie die anderen jüngeren Kinder abends zeitig ins Bett. Die vorzügig eingerichtete Anstalt – ein großes Verdienst des Herrn Kirchenrats Siebenhaar – ist von unberechenbarem Wert für die Kinderwelt aus hiesiger Pflege. Die Stiftung des verstorbenen Kommerzienrats Reinhard hat mit ihren Freistellen zum ersten Male Hohenstein-Ernstthaler Kindern dienen können. Nächsten Sonnabend hält die 6 Abteilung mit 170 Kindern ihren Einzug in das Stift, die die letzten in diesem schweren Kriegsjahre sein werden. Das Waldhaus ist nicht mehr belegt worden. Wenn nicht die Regierung die Ernährung sichergestellt hätte, wäre es nicht möglich gewesen, das Stift in diesem Jahre lebensfähig zu erhalten. Gott wird nach diesen Nöten auch wieder leichtere Zeiten geben.
An Gerichtsstelle wurde heute im Wege der Zwangsvollstreckung das gegenwärtig herrenlose „Webermeisterhaus“ versteigert. Es war mit 23 780 Mk. zur Landesbrandkasse versichert und einschließlich der auf 2200 Mk. bewerteten Einrichtung auf 38 200 Mk. geschätzt. Herr Bierverleger Constantin Haubold in Oberlungwitz erwarb sich das Grundstück für den Wert der Hypotheken (20 000 Mk.) zuzüglich der bis jetzt aufgelaufenen Zinsen.
24. September 1918
Im hohen Alter von 86 Jahren starb am vorigen Freitag ein in allen Kreisen unserer Stadt hochgeschätzter Mann, George Michelet der, obwohl nicht hier aufgewachsen, dennoch sich mit unserem Gemeinwesen so verwachsen zeigte, daß sein Leben und Wirken unter uns von Bedeutung war. Der Dahingeschiedene entstammt einer Emigrantenfamilie; sein Großvater wanderte 1793 aus Frankreich nach Lübeck aus, das Michelets Geburtsstätte ist. Von dort ging er, von Beruf Dekorationsmaler, zunächst nach Waldheim und kam im Jahre 1858 nach hier. Im folgenden Jahre erwarb er das Haus Altmarkt 3, in dem er jetzt sein Leben beschloß, daß ihm neben vieler Freude auch ein gerüttelt Maß von Kümmernis brachte. Betätigte Georg Michelet sich im Verein mit den vor einigen Jahren verstorbenen Stadtrat William Zeißig in ersprießlicher Weise an der städtischen Armenpflege, so fand er auch Gelegenheit, sich im Vereinsleben besonders fördernd hervorzutun; Bürgererholung und Rosenverein erfreuten sich seiner regen Mitarbeit, die Freiw. Feuerwehr 1. Komp. und die Schützenkompanie Altstadt verlieren in ihm ihr hochgeachtetes Ehrenmitglied. Erst vor wenigen Wochen wurde dem Hochbetagten die schmerzliche Mitteilung, daß einer seiner Enkel, der Fliegerleutnant Horst Fauser, den Heldentod gestorben ist. Morgen Dienstag nachmittag 3 Uhr wird George Michelet auf dem Altstädter Friedhofe zur ewigen Ruhe gebettet.